Merkel und der Türkei-Beitritt:Spagat zwischen Nein und Vielleicht

Lesezeit: 2 min

Die CDU-Chefin wirbt für eine privilegierte Partnerschaft mit Ankara, will aber die EU-Beitrittsverhandlungen nicht stoppen.

Von Christiane Schlötzer

Angela Merkel war noch nicht Kanzlerkandidatin, und doch wurde sie in Ankara schon empfangen wie eine Regierungschefin in spe. Die Türken verstehen sich auf Höflichkeiten. Kranzniederlegung am Atatürk-Denkmal, wie es Staatschefs tun, ein privates Abendessen mit Premier Tayyip Erdogan, Business-Talk in Istanbul - das Programm der Merkel-Visite im Februar 2004 war vom Feinsten.

Angela Merkel während ihres Besuchs in Istanbul im Februar 2004, AP (Foto: Foto: AP)

Die CDU-Chefin zeigte sich auch sichtlich beeindruckt von dem orientalischen Charme, mit dem die Türken um eine Skeptikerin warben. Trotzdem: Ihre Position blieb fest. Merkel warb in Ankara für ihre privilegierte Partnerschaft anstatt der Aufnahme der Türkei in die EU.

Ausgerechnet auf den 3. Oktober, den deutschen Nationalfeiertag, hat der EU-Rat im Dezember 2004 den Start der EU-Verhandlungen mit der Türkei gelegt. Da wusste noch keiner, dass am 18. September Bundestagswahlen in Deutschland stattfinden werden. Seit ein Machtwechsel in Berlin wahrscheinlich ist, erinnert Cüneyd Zapsu, der außenpolitische Berater Erdogans, besonders gern an den Merkel-Besuch.

Denn die CDU-Chefin hat nicht nur für die privilegierte Partnerschaft geworben. Sie hat auch einen Satz gesagt, der nun oft zitiert wird: "Wir werden uns an geschlossene Verträge halten." Dies sollte wohl heißen, die Union werde, sollte sie regieren, sich an das halten, was die EU mit der Türkei vereinbart hat - also auch an den Beginn von Beitrittsverhandlungen. Merkel, sagt Zapsu, sei "staatsmännisch genug, das nicht zu vergessen".

So sehen es die Türken. Aber sieht es so auch die CDU? Frank Spengler leitet die Vertretung der Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU in Ankara. "Die CDU würde Verhandlungen mit der Türkei nicht blockieren", versichert Spengler. "Aber sie will, dass sie ergebnisoffen geführt werden. Denn wir glauben nicht, dass die Türkei jemals alle EU-Bedingungen erfüllen kann."

Nach dem Merkel-Besuch haben sich die Kontakte von CDU und AKP sogar eher intensiviert. Beide Parteien sind konservativ, familien- und wertorientiert. Die Türken wüssten außerdem, so Spengler, dass Merkels "Partnerschafts-Idee" Schlimmeres verhindert habe - nämlich ein schroffes Nein der gesamten CDU zur Türkei.

Merkels Position gleicht allerdings einem politischen Spagat, weil sich im Wahlkampf nur schwer erklären lässt, wieso die Union die Türkei gleichzeitig von der EU fern halten und sie "privilegiert" an Europa binden will. Die CSU hat auch schon angekündigt, sie werde "Wahlkampf gegen einen Türkei-Beitritt" machen.

Dies klingt so, als könne und wolle eine Unionsregierung den Beginn von Beitrittsverhandlungen mit Ankara noch verhindern. Dazu aber bräuchte sie bis zum 3. Oktober einen Beschluss aller 25 EU-Regierungschefs. Am 3. Oktober aber wird Angela Merkel, auch wenn die Union die Wahlen gewinnt, noch gar nicht Kanzlerin sein. Der neue Bundestag, der den Regierungschef wählt, tritt erst danach zusammen.

Die privilegierte Partnerschaft hat noch einen Haken: sie ist bislang nicht wirklich definiert. Eine Forschungseinrichtung in Frankreich hat sich dazu Gedanken gemacht. Das Papier enthält den Vorschlag, Visa-Erleichterungen für die Türken einzuführen, und verspricht Ankara, die EU könne auf eine Lösung der Zypern-Frage oder eine Gleichberechtigung der Kurden verzichten. Die CDU wiegelt ab. "Mit unseren Vorstellungen hat das nichts zu tun", sagte ein Eingeweihter der Süddeutschen Zeitung.

© SZ vom 29.07.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: