Menschenrechte:Gerichtshof verurteilt Russland wegen Katyn-Massakers

"Unmenschlich" und "frappierend": Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Russland mit scharfen Worten für die "menschenunwürdige Behandlung" von Angehörigen der Opfer des Massakers von Katyn 1940 gerügt. Die Richter kritisierten die Weigerung der Behörden, einer Witwe sowie neun Kindern von Getöteten Einsicht in die Ermittlungsakten zu geben.

Mehr als sieben Jahrzehnte nach dem Massaker an mehreren tausend Polen in Katyn haben zehn Hinterbliebene einen Sieg vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) errungen. Die Straßburger Richter rügten die Weigerung Russlands, den Angehörigen Einsicht in die Ermittlungsakten zu geben.

Mehr als 70 Jahre nach dem Massaker von Katyn rügte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Russland für die "menschenunwürdige Behandlung" von Opfer-Angehörigen. (Foto: REUTERS)

Die Kläger - eine Witwe und neun Kinder von bei dem Massaker getöteten Polen - hätten keinerlei offizielle Information über die Todesumstände der Männer erhalten, rügte der Gerichtshof. Dieses Verhalten sei "unmenschlich". Die Weigerung Russlands, die Realität des Kriegsverbrechens von Katyn einzugestehen, sei "frappierend", heißt es in dem Urteil. Der EGMR rügte Russland auch wegen unzureichender Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof, weil die russischen Behörden eine Übersendung von Akten über das Massaker unter Sowjetdiktator Josef Stalin abgelehnt hatten.

Die russische Justiz habe die Anträge der Angehörigen auf Information über die Todesumstände und auf Rehabilitierung ihrer Familienmitglieder schroff abgewiesen. Konkret ging es um zwölf Opfer des Massakers, darunter Offiziere der Armee und der Polizei, einen Armee-Arzt und einen Schuldirektor. Sie waren nach dem Einmarsch russischer Truppen in Polen gemeinsam mit etwa 22.000 Polen im April und Mai 1940 in Katyn und anderen Orten von der sowjetischen Geheimpolizei erschossen worden.

Im Wald von Katyn bei Smolensk wurden mehr als 4000 Leichen in Massengräbern verscharrt. Das Verbrechen hat die polnisch-russischen Beziehungen jahrzehntelang belastet, auch wenn die russische Staatsduma den Mord 2010 verurteilt hat. Das EGMR-Urteil ist nicht endgültig, dagegen kann Berufung beantragt werden.

© Süddeutsche.de/dpa/afp - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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