Meine Presseschau:Ein Thriller in Zeitlupe

Joseph Hanimann ist Korrespondent für das SZ-Feuilleton in Paris. (Foto: Bernd Schifferdecker)

Das Kümmerwort "Groko" sorgt in Frankreich für Spott und Verwunderung. Im Satireblatt "Le Canard enchaîné" kreuzigt Sigmar Gabriel seinen Kollegen Martin Schulz.

Von Joseph Hanimann

Das Kümmerwort "Groko" ist in Frankreich angekommen, klingt auf Französisch aber auch nicht gerade verlockend. In ihrer Verwunderung darüber, dass Deutschland zum neuen Sorgenkind geworden ist, verwenden die französischen Zeitungen gern die Metapher des Kinos. "Vor der Kasse der europäischen Wahl-Schauerfilme drängelt sich nach dem Brexit schon die nächste Warteschlange", schreibt Le Monde und fiebert bange dem 4. März entgegen, wo in Italien gewählt wird und in Deutschland die Ergebnisse der SPD-Abstimmung bekannt werden. ",Chaos' und 'Berlin' gingen bisher schlecht zusammen, und doch hat man die beiden in letzter Zeit des Öfteren ungemütlich beisammen gesehen."

Die rechtsliberale Zeitung L'Opinion sieht in der deutschen Politik einen Thriller in Zeitlupe: alle paar Tage ein Schock. "Das Ergebnis ist überwältigend, der an die politische Klasse gerichtete Ruf 'Abtreten!' hat nach Frankreich auch das andere Rheinufer erreicht. Eine in den Vierziger- und Fünfzigerjahren geborene Politikergeneration hat für die öffentliche Meinung offenbar auf die anstehenden Probleme nicht mehr die richtigen Antworten."

Das Satireblatt Le Canard enchaîné präsentiert die Dinge als Kreuzigung des Martin Schulz, des Mannes, der sich selbst stets im Wege steht - und seinem Kollegen Gabriel. Dieser nagelt den Rivalen ans Kreuz - "und bei alldem soll Clausewitz ein Deutscher gewesen sein".

© SZ vom 17.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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