Meine Presseschau:Wenn Football-Profis plötzlich knien

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US-Präsident Donald Trump hat einen neuen Feind ausgemacht: die nationalen Football- und Basketball-Ligen. Nach Protesten der Spieler gegen Rassismus spaltet nun auch der Sport das Land.

Ausgewählt von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Was der amerikanische Präsident am vorigen Wochenende alles anstellte, fasste die New York Times so zusammen: "Über einen Zeitraum von nur 17 Stunden hat Donald J. Trump die Senatoren John McCain und Chuck Schumer angegriffen, den Basketballspieler Stephen Curry, die National Football League, Iran und Nordkoreas Anführer Kim Jong-un - den 'kleinen Raketenmann'. Das alles geschah wohlgemerkt an seinem freien Tag." Es scheine so, als zöge Trump Kraft aus solchen Konflikten, als seien Provozieren und Polarisieren die Energiequellen, die er zum Funktionieren braucht.

Nun gibt es neuerdings Sportler, die aus Protest demonstrativ knien, wenn, wie es in USA üblich ist, zu Beginn eines Matchs die Nationalhymne erklingt. Trump hat diese Spieler wüst beschimpft und damit erneut die Nation gespalten. Auf welcher Seite jemand in diesem neuen Konflikt steht, hängt von seiner politischen Gesinnung ab: Die einen sehen darin einen - auch in dieser Form gerechtfertigten - Protest afroamerikanischer Athleten gegen Polizeigewalt und Rassismus, die anderen eine ungeheuerliche Respektlosigkeit der Hymne, der Flagge und damit dem kompletten Land gegenüber. Dazwischen gibt es, nein, darf es keineandere Meinung geben.

Der einstige Trump-Berater Stephen Bannon, der wieder für die rechtspopulistische Nachrichtenseite Breitbart arbeitet, erklärte etwa: "Diese Footballspieler sollten Gott im Himmel jeden Abend auf Knien danken, dass Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten ist. Er hat diesem Land so viel Kummer erspart." Der Moderator Sean Hannity präsentierte beim TV-Sender Fox News ein Segment, das mit "Patriotismus unter Beschuss" betitelt war. Darin entwickelte der erklärte Trump-Fan diese Verschwörungstheorie: "Die Linken versuchen doch nur, mit dieser Sache ein paar billige politische Punkte zu sammeln mit dem wahnsinnigen und lächerlichen Ziel, Trump seines Amtes zu entheben." In der rechten Washington Times war gar zu lesen: "Schwarze haben nichts als Möglichkeiten in diesem Land. Die NFL (National Football League) hat den Großteil Amerikas tief beleidigt und wird zu Recht finanziellen und moralischen Schaden erleiden."

Im Magazin New Yorker dagegen gibt es einen Essay mit der Überschrift "rassistische Volksverhetzung". Darin steht: "Jeden Tag, auf unzählige und unerwartete Weise, findet der Präsident der Vereinigten Staaten neue Wege, dieses Land zu spalten und zu demoralisieren." Im Miami Herald lautet die Schlagzeile: "Trumps Tirade gegen die NFL entlarvt, was er wirklich ist: ein Rassist." Die Zeitung schreibt: "Donald Trump ist der Präsident, den Amerika verdient. Er zwingt dieses Land, seine Maske abzulegen und die systematische Unterdrückung zu bekämpfen. Wir müssen damit umgehen, dass Fremdenfeindlichkeit, Homophobie, Sexismus, Antisemitismus, Islamophobie und Rassismus sehr wohl existieren."

Die Sportzeitschrift Sports Illustrated dagegen vermutet: "Trumps Agenda hat nichts mit der NFL oder der NBA (National Basketball Association) zu tun. Sie dreht sich wie immer einzig um Trump. Wann war dieser Präsident schon mal an einer ernsthaften und treffenden Debatte interessiert?" Das Magazin widmet dem Konflikt mehrere Texte aus verschiedenen Blickwinkeln; auf der Titelseite sind Leute zu sehen, die sich bereits geäußert haben: Die Basketballspieler LeBron James ("Er will uns weiter auseinandertreiben"), Stephen Curry ("Das ist unter der Würde eines Präsidenten") und der Trainer Steve Kerr ("Das ist doch kindisch"). Wer allerdings fehlte auf diesem Cover, war der Footballprofi Colin Kaepernick. Er hatte die Proteste vor einem Jahr initiiert und ist auch deshalb heute noch immer arbeitslos.

© SZ vom 30.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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