Meine Presseschau:Vaterland zu verteidigen

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(Foto: N/A)

Die Veröffentlichung der Paradise Papers stellt Journalisten in Steueroasen vor ein Dilemma: Sollen sie ihr Land schützen oder kritisieren?

Ausgewählt von Claus Hulverscheidt, New York

In Momenten, in denen das eigene Land international in die Kritik gerät, neigen Journalisten gelegentlich zur Kumpanei. Angriffe von außen? Da heißt es, die Reihen zu schließen und das Vaterland gegen die Anwürfe zu verteidigen. Schaut man sich an, wie in den Steueroasen dieser Welt über die Veröffentlichung der Paradise Papers berichtet wird, kann man wohl von einer Art "Kumpanei Light" sprechen: Zwar gibt es kaum Kommentare, in denen der Autor den Spieß umdreht und statt des eigenen Landes die Kritiker angeht. Vielerorts wird das Thema aber totgeschwiegen, oder es kommen allein Vertreter der eigenen Regierung zu Wort, die die Anschuldigungen zurückweisen.

Eine Zeitung, der man diesen Vorwurf nicht machen kann, ist das Luxemburger Wort, das die Steuerstrategien großer Konzerne und reicher Bürger deutlich geißelt. "Ein Staat ohne Einkommen kann nicht funktionieren", schreibt das Blatt. Wer Steuern zahle, leiste daher "einen elementaren Beitrag für die Allgemeinheit". Zwar tragen aus Sicht der Zeitung auch die Regierungen zum Moralverfall bei, indem sie sich einen Wettlauf um die niedrigsten Unternehmensteuersätze liefern. Das könne aber keine Rechtfertigung für Tricksereien sein. "Vieles, was hinter verschlossenen Türen geschieht, hat - mehr als uns lieb ist - unethischen oder gar kriminellen Charakter", so der Kommentator.

Die Zeitungen aus Bermuda, den Bahamas und den Kaimaninseln verzichten auf jede Kommentierung des Vorwurfs, dass ihre Regierungen Beihilfe zur Steuerflucht leisten. Die Royal Gazette aus Bermuda etwa berichtet stattdessen umfänglich über eine Pressekonferenz von Premierminister David Burt, in der sich dieser "aggressiv" gegen die Kritik zur Wehr setzt. Der Nassau Guardian von den Bahamas räumt in einem Bericht zumindest ein, dass der Inselstaat "schon wieder" in einen Fall fragwürdiger globaler Geldgeschäfte verwickelt sei. Und die Tribune, ebenfalls aus Nassau, merkt an, die Veröffentlichung der Paradise Papers erhöhe den Druck auf das Land, der OECD-Initiative gegen Steuervermeidung und Gewinnverlagerung beizutreten.

Der Cayman News Service (CNS) konzentriert sich auf den Vorwurf, auch die britische Königin Elizabeth II. lege Geld in Steueroasen an. Einer Bewertung der Vorwürfe enthält sich der Online-Dienst, dafür werden viele Leser in den Kommentarspalten umso deutlicher: Die Queen habe nichts Illegales getan, schreibt ein Nutzer, der Londoner Oppositionsführer Jeremy Corbyn solle gefälligst "die Klappe halten". Ein anderer Leser wirft dem CNS gar vor, sich "als lokales Medium" auf die falsche Seite geschlagen zu haben.

Der Guernsey Press and Star, die einzige Tageszeitung der britischen Kanalinsel, berichtet ausführlich über die Paradise Papers, verkneift sich aber ebenfalls eine Kommentierung. Stattdessen kommt ausführlich Gavin St Pier, der ranghöchste Abgeordnete Guernseys, zu Wort, der die Ansicht vertritt, der eigentliche Skandal sei nicht die angebliche Steuerflucht, sondern der Diebstahl privater Bankinformationen und deren mediale Verbreitung. Immerhin: Nicht alle Leser gehen da mit. St Pier streue den Menschen Sand in die Augen, "um von einer unmoralischen Industrie abzulenken", so etwa ein Nutzer mit dem Pseudonym Viscount Lover.

Der Cayman Compass verzichtete zunächst vollständig auf eine Berichterstattung und präsentierte den Lesern stattdessen ein Editorial, das mit Frauen und Männern in Seeräuberkostümen illustriert ist und in dem der Autor den Organisatoren der 40. Kaiman-Piratenwoche dankt. Ausgerechnet Piraten: Nicht jeder EU-Finanzminister wird das witzig gefunden haben.

© SZ vom 11.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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