Meine Presseschau:Kreuzritter und Gestapo-Schergen

Lesezeit: 2 min

(Foto: Bernd Schifferdecker)

Diese Woche beschrieb Premierministerin Theresa May, wie sie sich den Austritt ihres Landes aus der EU vorstellt. Anlass für die britische Presse, den Glaubenskrieg um den Brexit neu aufzunehmen.

Von Christian Zaschke, London

Kein Thema spaltet die britische Presse so sehr wie der Brexit. Wer sich ein einigermaßen ausgewogenes Bild von der Stimmung auf der Insel machen will, hat daher keine andere Wahl, als mehrere Blätter zu lesen, da die meisten Publikationen nicht einmal versuchen, objektiv zu berichten. Je nachdem, ob man die Pro-Brexit- oder die Anti-Brexit-Zeitungen liest, stehen entweder goldene Zeiten oder der Untergang bevor. So war es auch in dieser Woche, in der Premierministerin Theresa May grob umrissen hat, wie sie sich den Austritt aus der EU vorstellt. Unter anderem kündigte sie an, dass Großbritannien nicht mehr Mitglied des Binnenmarktes sein werde, was den Daily Express zu der Aussage veranlasste: "Endlich haben wir eine Premierministerin, die versteht, dass wir einen wirklichen Brexit brauchen."

Der Express hat sich am weitesten von einer seriösen Berichterstattung entfernt, das Blatt fährt seit Jahren eine grelle Kampagne und schrieb in dieser Woche zufrieden über sich selbst: "Diese Zeitung hat ihren Kreuzzug, Großbritannien aus der EU zu führen, vor sechs Jahren begonnen. Wir wussten immer, dass unsere Bemühungen bei unseren Lesern gut ankommen und es viele ehrliche und anständige Politiker gibt, die auf unserer Seite stehen." Der Express schmückt seine Titelseite mit einem Kreuzritter und nennt sich selbst "die großartigste Zeitung der Welt". Man muss sich im Vergleich selbst das auf Krawall gebürstete Blatt The Sun als intellektuelles Magazin vorstellen.

Außenminister Boris Johnson hatte diese Woche davor gewarnt, die Briten für den Austritt aus der EU zu bestrafen. Der Express nahm die Vorlage begeistert auf. "Boris hat recht", befand das Blatt: "Erstens, weil die EU ein Gefangenenlager ist, aus dem Großbritannien nun zu entkommen versucht, und zweitens, weil die Wächter (EU-Kommissare und pro-europäische Staatschefs wie Monsieur Hollande) sich tatsächlich wie Schurken aufführen, die Kriegsgefangene durch Prügel einschüchtern wollen." Wer glaubt, damit habe der Express einen scharfen Ton angeschlagen, der irrt. Das ist normal, scharf geht so: "Die EU-Führer verhalten sich wie eine Bande von Gestapo-Ermittlern, die uns mit grellem Licht blenden und ihre Lederhandschuhe bereit halten, um uns ins Gesicht zu schlagen, falls wir nicht genau tun, was man uns sagt."

Dagegen wirkt der ebenfalls sehr anti-europäische Daily Telegraph beinahe gemäßigt. Zu Mays Brexit-Rede und zu ihrem Auftritt in Davos, wo sie die luftige Vision eines "globalen Großbritanniens" entwarf, schreibt das Blatt: "Das war ein Manifest einer neuen britischen Außenpolitik und eine der besten Reden eines Premiers in den vergangenen Jahren. Die Rede war ein Meilenstein nicht nur in Bezug auf den Brexit, sondern auch in Bezug auf ihre (Mays) politische Identität. Das zeigt, wie weit sie in wenigen Monaten gekommen ist."

Während die Financial Times noch am ehesten ausgewogen über das Thema berichtet, bilden vor allem der Independent und der Guardian den Gegenpol zur Anti-EU-Presse. Der Guardian geht darauf ein, dass in dieser Woche zwei Banken verkündet haben, wegen des Brexit Arbeitsplätze auf den Kontinent zu verlagern. "Niemand weiß, ob die schlechten Nachrichten dieser Woche nur ein kurzzeitiges Phänomen oder ein Trend waren. Aber sie sind ein Korrektiv. Der Brexit kommt mit Kosten. Es wird wirklich hart. Die EU-Führer haben überdies keinerlei Interesse daran, nett zu Großbritannien zu sein. Das ist keine Vorhersage, das ist die Realität." Den Gegnern des Brexit sei stets Angstmache vorgeworfen worden. Jetzt zeige sich, dass diese Ängste wohlbegründet waren.

© SZ vom 21.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: