Meine Presseschau:Koreanische Hoffnungen

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(Foto: N/A)

Wer hätte das gedacht? Nord- und Südkorea verhandeln miteinander, Sportler aus dem Norden sollen an den Olympischen Spielen im Süden teilnehmen. Eine Chance für den Frieden? Oder ein übler Trick des Diktators Kim Jong-un?

Ausgewählt von Christoph Neidhart, Tokio

Vor wenigen Wochen erschien das Szenario undenkbar: Nord- und Südkorea verhandeln miteinander, der Norden kündigt an, eine Delegation zu den Olympischen Spielen im Süden zu schicken, Südkoreas Staatschef Moon Jae-in erklärt sich zu einem Treffen mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un bereit. Dieser Moon Jae-in sitze nun "am Steuer" bei der Lösung des Konflikts, bemerkt die südkoreanische Tageszeitung Joongang Ilbo nach den Gesprächen der beiden Koreas vom Dienstag. Sie lobt US-Präsident Donald Trump für "sein Nachgeben". Trump hatte Moon versichert, im Prinzip sei auch er zum Dialog bereit; zuvor hatte er solche Gespräche noch als Zeitverschwendung abgetan. "Mit seiner Bemerkung, die Tür zum Dialog sei offen, deutet er die Möglichkeit verbesserter Beziehungen zwischen Washington und Pjöngjang an", so das Blatt. Moon müsse "jetzt zeigen, dass er Washington und Pjöngjang zum Dialog führen kann". Das erfordere "viel Raffinesse".

Die meisten Südkoreaner bejahen die Gespräche mit dem Norden - die größte Tageszeitung des Landes, das rechtskonservative Blatt Chosun Ilbo, bleibt dagegen skeptisch: "Was ist gewonnen, wenn Nordkorea an Olympia teilnimmt?" Der Kommentator meint: "Jeder weiß, warum der Norden plötzlich entschied, zu Olympia zu kommen - um einen Keil zu treiben zwischen Seoul, das auf eine Wiederaufnahme des Dialogs hofft, und Washington, das Nordkoreas Atomprogramm beenden will." Statt auf der Forderung nach Abrüstung zu beharren, hätten Südkoreas Offizielle das Thema "als bloße Formalität behandelt. Doch selbst dann erbebte Nordkoreas Delegationsleiter".

Die linksliberale Tageszeitung Hankyoreh verteidigt dagegen Moon, den Mitbegründer des Blattes. Der Präsident habe stets klargemacht, dass er von der atomaren Abrüstung nicht abweiche; "außer ein paar Leuten an den Rändern gibt es niemanden, der sich der Denuklearisierung widersetzt". Doch "solange die UN-Sanktionen bleiben, kann Südkorea allein nichts erreichen".

Dem Leitartikler der nordkoreanischen Parteizeitung Rodong Sinmun geht es vor allem um Südkorea. Es gelte, die "Schachzüge der separatistischen Kräfte zu behindern", um mit der "nationalen Vereinigung Geschichte zu machen", schreibt er. Der Begriff "separatistische Kräfte" steht im Jargon der nordkoreanischen Propaganda für Südkoreas Konservative. Der Kommentator betont: "Innerkoreanische Beziehungen sind eine innere Angelegenheit unserer Nation, die Nord und Süd in eigener Verantwortung lösen müssen. Aber die fremden Kräfte wollen nicht, dass die militärische Spannung auf der koreanischen Halbinsel abnimmt."

Der englischsprachige, in Südkorea erscheinende Korea Herald meint, Nordkoreas Diktator Kim Jong-un manövriere die USA in ein Dilemma: "Wenn Washington sich dem innerkoreanischen Dialog widersetzt, verschafft es Pjöngjangs Argument Glaubwürdigkeit, die USA seien ein Feind, kein Freund des koreanischen Volkes." Deshalb sollten die USA "Kim der Rechtfertigung für seine Atomwaffen berauben, indem sie auf Pjöngjang zugehen und zeigen, dass sie keine existenzielle Bedrohung Nordkoreas sind, sondern die Wiedervereinigung durch Dialog unterstützen".

Mehrere konservative Kommentatoren finden, Nordkorea habe sich wieder einmal durchgesetzt. So heißt es in der Zeitung Joongang Ilbo: "In Verhandlungen ist Nordkorea unschlagbar. Das Geschick seiner Diplomaten ist ein Vorzug seines Systems." Sie übernähmen "die Initiative mit gefühlsbetonter Sprache", um dann in den Verhandlungen zu tricksen. Christopher R. Hill, Präsident George W. Bushs Chef-Unterhändler, hätten sie einst "als Narren vorgeführt". "Wir Südkoreaner kennen Nordkorea und seine Taktik besser. Nordkorea wird die Tür zu Atom-Abrüstungsgesprächen zuschlagen. Aber wir müssen durch diese Tür durch."

© SZ vom 13.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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