Meine Presseschau:Hässliche Situation

Lesezeit: 2 min

(Foto: Bernd Schifferdecker)

Omar al-Baschir, Präsident des Sudan, wegen Kriegsverbrechen gesucht, konnte vergangene Woche unbehelligt nach Südafrika ein- und wieder ausreisen. Wie kommentieren das afrikanische Zeitungen?

Ausgewählt von Tobias Zick

Omar al-Baschir, Präsident des Sudan, international wegen Kriegsverbrechen gesucht, konnte vergangene Woche unbehelligt nach Südafrika einreisen und dann ebenso unbehelligt wieder ausreisen. Dabei wäre das Gastland verpflichtet gewesen, ihn zu verhaften und dem Internationalen Strafgerichtshof zu übergeben. Aus diesem Grund verhängte ein Gericht ein Ausreiseverbot. Doch noch ehe die Richter endgültig Baschirs Festnahme anordneten, war der schon wieder abgeflogen.

Die sudanesischen Medien, die zu den unfreiesten der Welt gehören, waren im Anschluss voll des Jubels: Ein Kommentator von al-Watan dankte Südafrika für seinen "starken Willen, einem neuen Kolonialismus entgegenzutreten", und al-Sudani zitiert in einer Schlagzeile brav den Außenminister Ibrahim Ghandour: Das, was sich in Südafrika abgespielt habe, habe Baschir "zu einem Helden gemacht".

Aber was genau hat sich in Südafrika eigentlich abgespielt? Wie kann ein international Gesuchter trotz Ausreiseverbots das Land verlassen, eines der am besten organisierten auf dem Kontinent? Der Frage hat sich die südafrikanische Wochenzeitung Mail & Guardian nun investigativ genähert und legt in einer Titelgeschichte dar, wie Präsident Jacob Zuma höchstpersönlich "Baschirs Flucht geplant" habe. Demnach war die Präsidentenmaschine zunächst vom internationalen Flughafen Johannesburg auf einen nahe gelegenen Militärflughafen überführt worden, der unter der Kontrolle der Armee steht - und deren Oberbefehlshaber wiederum Präsident Zuma ist. Bei der Fahrt dorthin sei Baschir sogar von einem behördlichen Sicherheitsdienst eskortiert worden - obwohl ein Anwalt der Regierung vor Gericht derweil beteuerte, man wisse nichts von einer eventuellen Ausreise. Mit diesem Coup, so das Blatt, habe "die Regierung nicht nur ihre Verpflichtungen nach internationalem Recht missachtet", sondern zudem versucht, "sich mithilfe aberwitziger Tricks und himmelschreiender Lügenmärchen um das Gesetz herumzuschlängeln". So würde Südafrika zu einer Diktatur, in der die Launen des Präsidenten das einzige Gesetz sind.

Mit Interesse verfolgt wurde das Drama auch in anderen Teilen Afrikas, vor allem in Kenia. Dessen Vizepräsident William Ruto muss sich seinerseits vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten - das Verfahren gegen Präsident Uhuru Kenyatta hingegen wurde im Dezember eingestellt, aus Mangel an Beweisen.

Chefanklägerin Fatou Bensouda hatte der Regierung immer wieder vorgeworfen, die Ermittlungen zu behindern, indem sie Beweismittel zurückhalte und Zeugen einschüchtere. Die immer regierungstreuere kenianische Tageszeitung Daily Nation legt nun in einem Editorial Wert darauf, dass Baschir "selbstverständlich unschuldig" sei, solange er "nicht durch ein zuständiges Gericht schuldig gesprochen ist".

Das Problem, dass ihm in weiten Teilen der Welt die Festnahme droht, werde ihn jedoch "weiter verfolgen, und es wird zunehmend schwierig für ihn werden, sich in Angelegenheiten zu engagieren, die Auslandsreisen erfordern". Um sich aus dieser "hässlichen Situation" zu befreien, in der sich Sudans Präsident "wie eine Art Flüchtling bewegt", sei Baschir gut beraten, die Vorwürfe des Strafgerichtshofs "gerichtlich anzufechten und seine Unschuld zu beweisen".

Einen "Präzedenzfall" habe schließlich Präsident Kenyatta gesetzt, indem er "vor nicht allzu langer Zeit mit Händen und Füßen dafür gekämpft habe, seinen Namen vor diesem Gericht reinzuwaschen".

© SZ vom 20.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: