Meine Presseschau:Ein guter Krieg

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Das Bombardement in Syrien, der IS und das Treffen zwischen den Präsidenten Putin und Obama sind auch die Themen, die die russische Presse beschäftigen. Doch der Zungenschlag ist oft ein völlig anderer.

Ausgewählt von Julian Hans

Die staatlich gelenkten Medien in Russland haben den Auftritt von Präsident Wladimir Putin vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen als Großereignis bejubelt. Sein Treffen mit Barack Obama deuteten sie als Beleg dafür, dass Russland keineswegs international isoliert ist, sondern dass er wieder mit dem amerikanischen Präsidenten "unter Gleichen" spricht. Unterdessen machen sich die mehr oder weniger unabhängigen russischen Zeitungen Gedanken darüber, welche Strategie der Kreml mit seinem Engagement in Syrien verfolgt.

Das Massenblatt Moskowskij Komsomolez (MK) druckt mal kritische Texte, mal solche, die ganz auf der Linie des Kremls sind. Auf diese Weise schafft es die Zeitung bisher, nicht ins Visier des Staatsapparats zu geraten. Am Tag nach den ersten Bombardements russischer Kampfjets in Syrien lautet die Schlagzeile von MK auf Seite eins: "Wozu Russland den Krieg in Syrien braucht". Die Analyse darunter fällt kritisch aus:

"Jetzt geht es also los. Der Konflikt mit der Ukraine ist noch nicht beendet, da bekundet Russland offiziell seine Bereitschaft, auch noch am Bürgerkrieg in Syrien teilzunehmen. Unser Parlament, bekannt als das 'unabhängigste auf der ganzen Welt', hat in wenigen Minuten dem Präsidenten die Erlaubnis abgestempelt, die Streitkräfte im Ausland einzusetzen. Etwas in der Art war fast unausweichlich. Wer A sagt, muss gewöhnlich auch B sagen. Nachdem er der ganzen Welt erklärt hat, Russland sei bereit, bei der Keilerei im Nahen Osten als 'militärischer Schiedsrichter' aufzutreten, konnte Putin schon nicht mehr so tun, als sei nichts gewesen."

Der Autor Michail Rostowskij zieht Parallelen zum Korea-Krieg 1950 bis 1953, bei dem Einheiten der USA und der Sowjetunion auf unterschiedlichen Seiten im Einsatz waren. "Uns sollte klar sein: Der Einsatz in diesem Spiel, in das Russland eingetreten ist, ist viel höher als nur Syrien. Wir spielen mit unserer eigenen Reputation und unserer eigenen Sicherheit."

"Russland erkämpft sich die Partnerschaft mit dem Westen", titelte am Donnerstag die liberale Wirtschaftszeitung Wedomosti. "Moskau versucht, die Erfahrung mit der Geheimoperation auf der Krim zu wiederholen", analysiert der Autor Pawel Aptekar auf der Meinungsseite. "Diesmal aber nicht, um sich den Plänen des Westens entgegenzustellen, sondern um ein gemeinsames Vorgehen zu erzwingen. Das strategische Ziel ist, aus der Isolation herauszukommen und zur Rolle einer Schlüsselfigur in der Weltpolitik zurückzukommen. Taktische Ziele gibt es gleich mehrere: Der gemeinsame Kampf gegen den 'Islamischen Staat', so hofft der Kreml, könnte helfen, die Sanktionen zu lockern. Moskau will die Position von Baschar al-Assad stärken und gleichzeitig seinen Wählern neue Erfolge in der Außenpolitik demonstrieren."

Im Wirtschaftsblatt RBC beurteilt der Direktor einer Anlage-Gesellschaft die Ereignisse aus ökonomischer Sicht sehr optimistisch. Ein "kleiner siegreicher Krieg" in Syrien könne dazu führen, dass der Ölpreis wieder steigt und der Rubel sich erholt, glaubt Alexander Losew. "Das Vorgehen Russlands in Syrien ist mit dem internationalen Recht in Einklang, das bedeutet, dass wir keine neuen Sanktionen des Westens zu befürchten haben. Wenn die Bemühungen Russlands zur Unterstützung Syriens innerhalb weniger Monate Erfolge bringen und damit Bedingungen dafür schaffen, dass die Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren können, dann kann das durchaus zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Russland und Europa führen und einen Weg zur Lösung anderer Konflikte eröffnen."

© SZ vom 02.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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