Meine Presseschau:Der Antichrist

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(Foto: N/A)

New Yorks Medien gehen mit dem populistischen Kandidaten Donald Trump, dem umstrittenen Sohn ihrer Stadt, immer wieder hart ins Gericht.

Von Claus Hulverscheidt

Eigentlich müssten die Stadtoberen vor Stolz platzen, müssten die Bürger sich gegenseitig auf die Schulter klopfen und die Lokalzeitungen den Konkurrenzmetropolen wie Boston oder Los Angeles eine lange Nase drehen: Donald Trump, einer der ihren, hat tatsächlich die Chance, Präsident der Vereinigten Staaten zu werden.

Das Gegenteil ist der Fall. Nirgendwo in den USA gruselt es den Menschen mehr bei dem Gedanken an einen Staatschef Trump als in dessen vorwiegend liberaler Heimatstadt. Trumps Anhänger findet man woanders, in Alabama und Georgia, in Arkansas und Tennessee, in Gegenden also, von denen es einst hieß, die Menschen würden eher einen Esel zum Präsidenten wählen als einen New Yorker. Dort liebt man den Immobilienmogul von der Ostküste. Weil er ausspricht, was andere vermeintlich nicht auszusprechen wagen. Weil er Lobbyistengeld verschmäht. Und weil er ein erfolgreicher, zupackender Siegertyp ist, der New York über Jahrzehnte nicht nur mit seinen Bauten, sondern auch mit seinem Einfluss dominierte.

Wirklich? Die New York Times ist der Frage nachgegangen, welche Erfolge der 69-Jährige daheim vorzuweisen hat - und die Bilanz fällt, nun ja, durchwachsen aus. Zwar sei "Trump" auch heute noch ein in der ganzen Stadt anzutreffender Markenname, so das Blatt. "Kaum zu erkennen ist dagegen ein Fußabdruck als politischer Akteur, als jemand also, den man fürchtet und der Dinge umsetzen kann, indem er im richtigen Moment zum Telefon greift oder einen Menschen zur Seite zieht."

Die New York Daily News sieht in Trumps Vergangenheit als Erbauer von Protzpalästen sogar einen Nachteil für die Wähler: "Trump betrachtet die Wirtschaft von oben, wie durch eine Linse, die Firmenriesen in den Vordergrund und die einfachen Menschen in den Hintergrund rückt", so das Boulevard-Blatt, das den Lokalmatador einst feierte und als Geschichtenlieferant schätzte. Mittlerweile hat die Zeitung die Seiten gewechselt und verhöhnt ihren einstigen Lokalhelden als "Hirntoten" und als "Anti-Christ".

Ein wenig subtiler geht der New Yorker zu Werke, der sich mit der bösen Schmähung des republikanischen Trump-Rivalen Ted Cruz befasst, der Geschäftsmann verkörpere "New Yorker Werte". Cruz meine wohl, so heißt es, dass die Bewohner der Ostküstenmetropole andernorts als aalglatt, durchtrieben und heuchlerisch gälten. "Das hat uns umgehauen - nicht etwa, weil die New Yorker nicht tatsächlich unausstehlich wären, sondern weil uns die Art und Weise, auf die Donald Trump unausstehlich ist, bezogen auf New Yorker Werte immer sehr atypisch erschien", schreibt das Magazin. Trump sei etwa ein unerträglicher Aufschneider - etwas, das echte New Yorker nicht nötig hätten. Sie flögen nicht im Privatjet nach Atlantic City oder Las Vegas. Unausstehliche New Yorker stiegen vielmehr am Wochenende in ihre Jaguars oder BMWs, nähmen die völlig verstopfte Autobahn nach Long Island, "und versuchen dann, auf der Notfallspur an allen anderen vorbeizurasen".

Solche Finessen sind der New York Post fremd. Sie verweist auf Umfragen, nach denen Trump zwar in der Stadt New York gegen die mutmaßliche demokratische Kandidatin Hillary Clinton chancenlos wäre. Schon in den ländlicheren Gebieten des gleichnamigen Bundesstaats aber sehe es anders aus. Die New York Daily News mag sich einen Triumph Trumps noch gar nicht vorstellen. Allen Lesern, die schon beim Gedanken an seinen Wahlsieg von Auswanderungsfantasien heimgesucht werden, leistete die Zeitung vor Tagen bereits tätige Lebenshilfe: Sie veröffentlichte eine "Vollständige Anleitung zur Flucht aus Donald Trumps Amerika".

© SZ vom 05.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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