Meine Presseschau:Boat People

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Illustration: Bernd Schifferdecker (Foto: Bernd Schifferdecker)

Nicht nur Europa, auch Südostasien muss entscheiden, wie mit dem Strom von Bootsflüchtlingen umzugehen ist.

Ausgewählt von Arne Perras

Nicht nur Europa diskutiert über die Boat People. Auch Länder Südostasiens sind mit einer Flüchtlingskrise konfrontiert. "Die Lage ist düster und kann nicht mehr ignoriert werden", schreibt die in Singapur erscheinende Straits Times über die Dramen, die sich nördlich des Stadtstaates, in der Andamanensee, abspielen. Dort ersehnen Tausende Flüchtlinge Rettung, aber niemand will sie haben.

Der lapidare Satz im Leitartikel der Straits Times bringt zum Ausdruck, weshalb sich Flucht und Migration im Indischen Ozean überhaupt zu einer Krise auswachsen konnten. Die Regierungen haben zu lange weggesehen. Eng wurde es für die Schlepper erst, als Thailand unter wachsendem internationalen Druck begann, das Geschäft zu bekämpfen und Camps im Dschungel aufzuspüren. Massengräber wurden entdeckt, die Brutalität der Schleuser war jetzt nicht mehr zu ignorieren. Viele Flüchtlinge gehören zur Volksgruppe der Rohingyas, einer muslimischen Minderheit in Myanmar. Diese Menschen sind in ihrer Heimat nicht als Staatsbürger anerkannt, sie werden in dem mehrheitlich buddhistischen Land verfolgt. Die Rohingyas haben der Krise ihr Gesicht gegeben. Und das führt dazu, dass zahlreiche Zeitungen die Hauptschuld nun in Naypyidaw suchen. Dort hat das Sprachrohr der Regierung, T he Global New Light of Mynamar" zum Abwehrkampf geblasen. Es zitierte den Armeechef mit den Worten, dass viele Flüchtlinge nur behaupteten, sie seien Rohingyas, um Hilfe zu bekommen. Myanmar bezeichnet die Gruppe als Bengalis, womit sie als illegale Einwanderer aus dem Nachbarland abgestempelt sind.

Kompliziert wird die Lage dadurch, dass neben Rohingyas tatsächlich auch Migranten aus Bangladesch kommen, sie fliehen nicht vor Verfolgung, sondern vor wirtschaftlicher Not. In Thailand fordert die vom Militär beherrschte Regierung Verhandlungen. Die Zeitungen haben dort unter den Generälen viele Freiheiten eingebüßt, das macht es schwer, Verwicklungen von Behörden ins Schleppergeschäft aufzudecken. Ähnlich in Malaysia, wo der Staat die freie Presse gängelt.

Während Thailand, Malaysia und Indonesien zumindest begonnen haben, Flüchtlinge auf See zu retten, ist deren Zukunft ungewiss. Dass Tausende geschleuste Menschen bislang als billige Arbeitskräfte auf Plantagen in Malaysia oder auf Fischkuttern ausgebeutet wurden, beschäftigt die Medien weniger. In den Mittelpunkt rücken sie die Frage, wo die Neuankömmlinge hin sollen, damit das "menschliche Ping Pong", wie Human Rights Watch schreibt, ein Ende findet.

In Indonesien, Malaysia und Thailand werden Rufe nach Repatriierung laut. Das lenkt die Aufmerksamkeit zurück auf Myanmar, das Rohingyas nicht als Bürger anerkennt. Die thailändische Bangkok Post beklagt: "Der Rohingya-Streit wurde viel zu lange schon unter den Teppich von Asean gekehrt." Für Asean, den Verbund südostasiatischer Staaten, wird die Krise so zum Test. Ihr Leitsatz lautet: "Eine Vision, eine Identität, eine Gemeinschaft." Doch die malaysische unabhängige Online-Zeitung Malaysiakini möchte mehr als Worte sehen: "Es ist sinnlos, die Einheit der zehn Mitglieder zu loben, wenn es nicht gelingt, den Streit um die Rohingyas zumindest in Teilen zu lösen." Auch die Straits Times fordert eine konzertierte Aktion. Und ein Kolumnist des Jakarta Globe stellt sogar das lange als unantastbar geltende Prinzip der Nichteinmischung infrage. Seine Botschaft: Indonesien soll die Führung übernehmen und Druck machen auf Myanmar. Wenn Asean glaubwürdig bleiben wolle, müsse es auch auf grenzübergreifende Krisen regieren können.

© SZ vom 30.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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