Medien:Morgen ein neuer Tag

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In England wird eine landesweite Tageszeitung gegründet, das gab es 30 Jahre lang nicht mehr. Die Redaktion will vieles anders machen, zum Beispiel: Eine Internetseite soll es nicht geben.

Von Christian Zaschke

40 Seiten, geheftet, ein Titel in Türkis und jede Menge Optimismus: So ist am Montag der erste neue landesweit erscheinende britische Zeitungstitel seit 30 Jahren in die Kioske gekommen. Das Blatt heißt The New Day , der neue Tag, und es schickt sich an, einige Aufregung in der Zeitungslandschaft des Vereinigten Königreichs zu verursachen. Die letzte eigenständige Neuerscheinung war der Independent im Jahr 1986, also ausgerechnet jenes Blatt, dessen Besitzer vor Kurzem bekannt gaben, dass die Printausgabe Ende März dieses Jahres eingestellt wird und der Titel nur noch online erscheint. "Wir wissen, dass dies nicht einfach eine weitere Zeitung sein kann", heißt es in der Premierennummer des Newcomers, "es muss eine neue Art von Zeitung sein." Das ist der New Day zumindest in Teilen.

Herausgegeben wird er von der Trinity-Mirror-Gruppe, die unter anderem auch den Daily Mirror und den Sunday Mirror veröffentlicht. Diese Zeitungen stehen traditionell der Labour-Partei nahe. Fast alle britischen Blätter haben eine klare politische Ausrichtung. Der New Day will sich in diesem Punkt von seinen Mitbewerbern unterscheiden und neutral sein, was sich in der ersten Ausgabe daran zeigt, dass kontroverse Themen grundsätzlich von zwei Autoren mit unterschiedlichen Standpunkten besprochen werden.

Ein Beispiel: Zu den Vorzügen der EU-Mitgliedschaft äußert sich Premierminister David Cameron in einem Gastbeitrag, die Gegenposition übernimmt eine Lehrerin, die darlegt, warum sie noch nicht überzeugt sei. Camerons Artikel ist interessanterweise derjenige im gesamten Blatt, der am hölzernsten klingt. Chefredakteurin Alison Phillips will, dass die Mitarbeiter "schreiben, wie wir sprechen". Ihre Begründung: "Weil wir ganz normale Leute sind, die eine Zeitung produzieren wollen, die Ihnen gefällt." In der Tat kommt der New Day sehr gefällig in Sprache und Optik daher. Die Texte sind kurz, das Erscheinungsbild ist luftig und bunt.

Zielgruppe sind Leser im Alter zwischen 35 und 55 Jahren, die wenig Zeit haben und sich deshalb für eine Zeitung entscheiden könnten, die ihnen das Wichtigste vom Tage kompakt, ohne politische Agenda und in insgesamt eher leichterer Sprache liefert. Simon Fox, der Geschäftsführer von Trinity Mirror, schätzt, dass in den vergangenen Jahren circa 500 000 Menschen auf der Insel aufgehört haben, eine Tageszeitung zu kaufen. Von ihnen will er möglichst viele für das neue Projekt gewinnen. Ziel sind 200 000 Käufer am Tag, Gewinn macht das Blatt wohl schon, wenn es die Hälfte erreicht. Das liegt daran, dass die Kosten relativ gering sind: Für Nachrichten wird die Zeitung auf Inhalte des Mirror und auf Agenturen zurückgreifen können. Analysen und Features liefern 25 Redakteure. An seinem ersten Tag erschien derNew Day in einer Auflage von zwei Millionen Exemplaren, die kostenlos verteilt wurden. Von diesem Dienstag an kostet er 25 Pence, in zwei Wochen steigt der Preis auf 50 Pence - etwas mehr als 60 Cent.

Wie sehr die Macher daran glauben, dass die gedruckte Zeitung eine Zukunft hat, zeigt sich daran, dass sie entschieden haben, auf eine Website schlicht zu verzichten.

© SZ vom 01.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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