Medien:"Goal in Bagdad" - mit CNN an der Front

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Der US-Nachrichtenkanal berichtet im Stil der Sportreportage.

Hans Hoff

"Tor in Bagdad." Irgendwann wird das bestimmt einer sagen. So oder ähnlich. Man wird sich dessen immer sicherer, wenn man eine Weile CNN schaut, den Nachrichtenkanal aus dem amerikanischen Atlanta, der in aller Welt zu empfangen ist und derzeit als eine Art 24-Stunden-Erlebniskanal erscheint.

Wenn man konsequent eintaucht in die hektische "Be the first to know"- Umschalt-Philosophie dieses amerikanischen Senders, dann wird man den Eindruck nicht los, Zeuge einer zweifelhaft mutierten Fußball-Bundesliga- Schlusskonferenz zu sein, deren Struktur man aus dem deutschen Radio zu kennen glaubt. Auf Sendung darf, wer Aufregung zu bieten hat, wer meldet, wo etwas passiert, wer den Krieg bis zur Unkenntlichkeit versportlicht.

"Tor in Umm Kasr?" Graubraun ist die Szene eingefärbt. Hinten ein paar Hochspannungsmasten, vorne ein Betonstreifen. Nichts passiert. Trotzdem steht das Bild mehr als zehn Minuten, und die Unterzeile verheißt: "Widerstandsnester hier im südlichen Irak." Von irgendwoher dröhnt Fluglärm, und eine Off-Stimme sagt, dass von irgendwoher Fluglärm dröhnt. Sie sagt nicht, was es zu bedeuten hat. Sie sagt nicht einmal, dass sie nicht weiß, was es zu bedeuten hat. Sie sagt einfach etwas, das die Zeit füllt.

Amanpour sieht verwegen aus

Auch in den nächsten Minuten passiert nichts. Dafür sagt jemand anderes, dass die Flugzeuge die eine Hälfte der Arbeit tun und die Bodentruppe dann den Rest erledigt, wobei es natürlich auch zu Kollateralschäden kommen könne.

"Christiane Amanpour, wie läuft's bei ihnen?" Die weltbekannte Korrespondentin mit der aufdringlichen Überbetonung in der Stimme ist irgendwo woanders im Süden des Irak und erklärt, dass sie viele Kriegsgefangene gesehen hat, diese aber nicht filmen durfte, weil das gegen internationale Konventionen verstoße. Tags zuvor war sie noch in Umm Kasr und hatte von der kompletten Einnahme der Stadt berichtet. Frau Amanpour sieht verwegen aus in ihrem weißen Trenchcoat und mit dem schwarzen Schal. Das all ihre Informationen aus "offiziellen" Quellen stammen, blieb ebenso unerwähnt wie der Umstand, dass diese Quellen kaum eine Nachricht ausspucken würden, welche die Koalitionsarmee in schlechtes Licht stellen könnte.

"Tor in Umm Kasr?" Zurück zu den Hochspannungsmasten hinten und dem Betonstreifen vorne. Inzwischen hat sich die graubraune Szene fernsehtechnisch qualifiziert. Rauch steigt in der Ferne auf aus einem nicht identifizierbaren Gebäude. Rauch ist gut für CNN, Rauch deutet an, dass etwas passiert. Kein Rauch ohne Feuer, das der Nachrichtensender seinen Zuschauern vielleicht als erster servieren kann. Das erregt die Off-Stimme des Kommentators ein wenig. Er sagt, dass er Rauch aufsteigen sieht. Fernsehschaffende sind immer froh, wenn sich etwas bewegt.

Wenn sich nichts bewegt, schaltet man gerne zu den "embedded" Reportern, jenen "eingebetteten" Journalisten, die mit Genehmigung der US- Militärs mitreisen dürfen, ganz auf Augenhöhe mit den Panzerfahrern. Die publizistischen Armee-Begleiter dürfen nur einmal die Woche duschen, dafür aber müssen sie mit Telefonkameras direkt auf Sendung. Martin Savidge ist so ein Eingebetteter: Er sitzt in einem rollenden Panzerfahrzeug und filmt sich während seines betont atemlosen Kommentars im äußeren Rückspiegel des Gefährts. Das Bild ruckelt und zerlegt sich immer wieder zu einem wackelig digitalen Puzzle, während Savidge im Wesentlichen sagt, dass er gerade in einem Panzer sitzt und mit der Truppe unterwegs ist. Es deutet alles auf ein Abenteuer im Orient.

Ein bisschen erinnern diese Bilder aus der Wüste an Cockpit-Aufnahmen aus einem Formel-1-Rennen, wenn die Zuschauer den Parcours aus Sicht des Michael Schumacher sehen können und alles furchtbar spannend finden. CNN-Mann Savidge inszeniert seine Mission. Das Haar weht im Wind, und er sieht in solchen Momenten einem Popstar nicht unähnlich.

"Tor in Umm Kasr?" Die graubraune Szene hat sich weiter qualifiziert. Jetzt liegen vorne auf dem Betonstreifen zwei amerikanische Soldaten und zielen in Richtung der Hochspannungsmasten. Sie liegen dort und bewegen sich kaum, weshalb die Regie sich in den anderen Stadien umhört.

"Tor in Bagdad?" Über der irakischen Hauptstadt stehen Rauchwolken und im Vordergrund rennen einige Menschen in Panik weg. Später werden immer wieder Aufnahmen vom Ufer des Tigris gezeigt, wo Iraker wie wild ins Schilf und ins Wasser feuern, weil sie dort einen aus seinem Flugzeug ausgestiegenen US- Piloten vermuten. Das sei wohl nur gefährlich für die Umstehenden, befindet cool der Moderator im Studio.

"Tor in Umm Kasr?" David Bowden ist auch ein Eingebetteter, ein "British Pool Reporter", wie ihn die Unterzeile ausweist. Er sitzt mit einem Stahlhelm in einer Grube hinter einem anderen Betonstreifen, auf dem auch Soldaten liegen, die in Richtung von Strommasten zielen. Bowden sagt, dass die Soldaten das nicht für CNN und das Fernsehen tun, nein, wirklich nicht, sondern dass es sich vielmehr um eine lebensbedrohliche Situation handele. Später meldet sich Walter Rodgers, der als Eingebetteter die 7th Cavalry begleitet: Zwar ohne Bilder, doch mit einer jener "Breaking News", die CNN so liebt. Rodgers berichtet aus dem Süd-Irak, dass die Iraker Frauen und Kinder als menschliche Schutzschilde benutzen. "Breaking News" sind bei CNN eben eine Art Adelstitel, das Signal für "hier passiert's."

"Strike on Iraq"

Außerdem hält das amerikanische Invasionsfernsehen schicke 3D- Grafiken bereit, bunte Landkarten und Übersichten aus der Helikopter- Perspektive. "Strike on Iraq", so der Titel der Non-Stop-Kriegsserie, wird zum Multimedia-Event. Da spielt es keine große Rolle, dass die irakische Regierung die CNN-Korrespondenten ausgewiesen hat. Ein vierköpfiges Team musste das Land verlassen; 1991, beim Golfkrieg, war CNN der einzige TV-Sender, der in Bagdad geblieben war, was den Ruhm des Senders begründet hat.

Diesmal hat der 1980 von Ted Turner gegründete Kanal auch so genug Material. Christina Amanpour meldet sich wieder, diesmal mit offenem Blusenkragen, und teilt mit, man werde jetzt rasch die Ölquellen sichern. "Da ist ein strenger Ölgeruch in der Luft", sagt sie. Manchmal sagen die Journalisten von CNN auch der Einfachheit halber "wir", wenn sie über die nächsten Maßnahmen sprechen.

Zwischendrin befragt der Moderator einen Militärexperten über den Sinn verschiedener Aktionen. "The goal is...", leitet der mehrfach seine erklärenden Sätze ein. Goal steht im Englischen für das Ziel, aber gleichzeitig auch für das Tor im Fußball. Danach besteht kein Zweifel mehr: Irgendwann wird bei CNN jemand rufen "Goal in Bagdad".

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