Medien:DIT und dat

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Eine pikante Konstruktion: Gerhard Delling wird von der ARD-Werbetochter finanziert. Ist das eine Verletzung der Grenze, die den Journalismus grundsätzlich von den kaufmännischen Absichten eines Medienunternehmens trennt?

Von Christoper Keil und Hans-Jürgen Jakobs

Unmittelbar vor seinem Auftritt war eine so genannte On-Air-Promotion zu sehen. Ein kurzes Filmchen, mit dem die ARD auf ihr Prestigeprodukt Sportschau aufmerksam machen wollte.

Legendär: Gerhard Delling und Günter Netzer (Foto: Foto: dpa)

Es war vielleicht nur Zufall. Aber was ist schon Zufall in diesen Tagen der vielen brisanten ARD-Geschichten? Jedenfalls kamen am Montagabend - nach der Eigenwerbung für die Fußballshow, die oft von Gerhard Delling, 46, präsentiert wird - die Tagesthemen erstmals mit Gerhard Delling als Moderator.

Der Journalist legte bei seiner Urlaubsvertretung eine tadellose Premiere hin und fand zum Beispiel den passenden Ton zu den Fragen an Justizministerin Brigitte Zypries.

Dieser Delling ist eine Art publizistischer Allrounder der ARD. Er moderiert die Sportschau, analysiert mit Günter Netzer Fußball-Länderspiele, ist Hauptabteilungsleiter Sport im Norddeutschen Rundfunk (NDR) und hilft eben auch bei den Tagesthemen aus.

Bezahlt wird er aber aus einem besonderen Topf - von der ARD-Werbung Sales & Services, der Vermarktungstochter des öffentlich-rechtlichen Senderverbunds.

Die Frankfurter Firma akquiriert Gelder von Werbekunden, zu denen auch die Allianz mit ihrer Tochter Dresdner Bank gehört, die wiederum die Fonds des Deutschen Investment Trusts (DIT) bei Privatkunden vermarkten.

Für das Finanzprodukt wirbt Fußballfernsehstar Netzer ausgiebig - und bei Events des DIT wirkt ARD-Journalist Delling als charmanter Interviewer. Ein Netzwerk der modernen, kommerziellen Art?

Als "Schnittstelle" zwischen Medien ("TV, Radio und Online") und Werbemarkt bezeichnet sich ARDSales&Services und lobt: "Die Medien - also die Mandanten der S&S - erhalten (...) die Möglichkeit, sich voll und ganz auf die Produktion ihrer redaktionellen Inhalte zu konzentrieren, während sich S&S um das Media-Marketing und damit um die Refinanzierung der Programme durch Werbung kümmert."

NDR-Liebling Delling jedenfalls wurde dank der Finanz-Connections gut versorgt. Als ihn Ende der neunziger Jahre Konkurrenzsender abwerben wollten, handelten ARD und NDR. Zunächst schlossen sie im Sommer 1999 mit der ARD-ZDF-Rechteagentur Sporta einen gut dotierten Honorarvertrag; im Oktober 2002 wurde Delling dann für drei Jahre die Leitung des Programmbereichs Sport übertragen; nach dessen Amtsantritt im März 2003 beteiligte sich der NDR an der Finanzierung des alten Honorarvertrages, der im Dezember 2003 auf die ARD-Werbetochter überging.

Ende als NDR-Sportchef

"Die Honorare bzw. Einkommen aus beiden Verträgen addieren sich nicht, sondern werden aufeinander angerechnet", erklärt der NDR auf Anfrage. Offenbar wird der schöne Rahmenvertrag mit der Werbetochter durch unterschiedliche Leistungen erfüllt.

Man garantiere Delling eine feste Summe, "sofern er die vereinbarten Einsätze erbringt", sagt Bernhard Cromm, Geschäftsführer der ARD-Werbung Sales&Services GmbH. Seine Firma zahle auch an Sport-Moderatoren und Sport-Experten, die als Ko-Kommentatoren in der ARD auftreten. Ein Einsatz Dellings für Firmenzwecke sei nicht Teil eines Marketing-Pakets.

Über Zahlen möchte Sportchef Delling nicht sprechen - auch nicht über seine Nebentätigkeiten. Sicher ist, dass die Spots der Finanzfirma DIT, für die das Grimme-Preis-gekrönte Paar Netzer und Delling aktiv ist, manchmal im Ersten laufen.

Früher waren sie bei Spielen der deutschen Nationalelf zu sehen. Delling sei für den DIT "nicht als Werbepartner" wie Netzer im Einsatz, sagt Firmensprecher Matthias Jansen, sondern moderiere im Jahr "sechs bis zehn Kundenveranstaltungen unserer Reihe Fußball und Finanzen".

Diese "finden vor Kunden, Beratern, Vertriebsleuten" in Stadien oder Hotels statt. Dabei erörtert Delling zunächst im Wechselspiel mit dem Chefvolkswirt Fragen der Kapitalanlagestrategie, und anschließend redet der ARD-Mann vor den 100 bis 200 Leuten im gewohnten Stil mit Netzer über Fußball.

Der Tagesthemen- und Sportschau-Mann gewissermaßen als Warm-Upper bei einer Vertretertagung im Hotel? Es handele sich um "interne Diskussionsveranstaltungen ohne werbende Außenwirkung", glaubt der NDR. Das kollidiere nicht mit seinen Aufgaben als Sportchef.

DIT und dat: Man könnte die Konstruktion als Drittmittel-Finanzierung betrachten. Ist das - unbesehen der guten Arbeit Dellings - eine Verletzung der Grenze, die den Journalismus grundsätzlich von den kaufmännischen Absichten eines Medienunternehmens trennt?

Das alles ist ungewöhnlich. Im NDR wird kein anderer Journalist auf diese Art von den Werbezeitenvermarktern bezahlt. Wenn Delling in den Tagesthemen ein wirtschaftliches Thema über Banken und Versicherungen vortragen sollte, müsste es den Verantwortlichen der ARD mulmig werden.

Der NDR teilt nun mit, Delling habe schon vor Wochen gebeten, seinen Sportchef-Vertrag "mit Blick auf die aus der Doppelfunktion resultierende hohe Arbeitsbelastung nicht zu verlängern". Es sei ihm alles zu viel geworden, erklärt Delling.

Auch bei einer erneuten Tagesthemen-Tätigkeit würde sich für den Moderator etwas tun. Nun heißt es: "Zwischen Delling und dem NDR besteht Einvernehmen, dass Herr Delling im Falle einer erneuten Vertretung bei den Tagesthemen seine Nebentätigkeit für den DIT beenden wird."

Mitarbeit: Jens-Christian Rabe

© SZ vom 20.7.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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