Mayonnaise:Fett weg

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Belgien streitet sich um ein Kulturgut: Darf Mayonnaise weniger als 80 Prozent Fett haben? Bisher ist die Zusammensetzung der Sauce fest geregelt, in einem 60 Jahre alten königlichen Dekret.

Von Alexander Mühlauer

Bei Antoine kann es gut sein, dass man eine halbe Stunde anstehen muss. Die Friterie am Place Jourdan in Brüssel macht Pommes, die so gut sind, dass sich lange Schlangen bilden, mittags und nach Feierabend. Das Warten kann man sich zum Glück mit dem Studium der Karte vertreiben. 27 Saucen stehen zur Auswahl. Es gibt Sauce Tartare, Sauce Andalouse und Sauce Samourai. Wer es richtig scharf mag, kann Sauce Pili Pili ordern. Ganz oben auf der Karte steht allerdings jene Beigabe, für die sich dann doch die meisten entscheiden: Mayonnaise.

Seit 60 Jahren ist in Belgien klar geregelt, was echte Mayo ausmacht. Sie muss zu 80 Prozent aus Fett und zu 7,5 Prozent aus Eigelb bestehen. So wurde es im Jahr 1955 beschlossen - per königlichem Dekret. Nun rütteln aber belgische Saucen-Hersteller an diesem Erlass. Sie klagen, dass ihnen dieses Gesetz das Geschäft kaputt mache. Sie fühlen sich diskriminiert, weil ausländische Unternehmen Mayonnaise verkaufen dürfen, die weniger kalorienhaltig ist. Denn tatsächlich gilt für diese die Formel 70 Prozent Fett und fünf Prozent Eigelb. Seit Jahren beschwert sich der Verband der belgischen Lebensmittelindustrie, Fevia, dass die heimischen Firmen einen angeblichen Wunsch der Verbraucher nicht erfüllen könnten: Mayo mit weniger Fett. Ist leider verboten.

Nun sind aber ausgerechnet die Verbraucherschützer ganz anderer Meinung. Sie fürchten nicht um die Gesundheit der Bürger, sie fürchten sich vor einem neuen Gesetz. Test-Achats, in Belgien so etwas wie die Stiftung Warentest, glaubt, dass die Konzerne die Qualität der Mayonnaise im wahrsten Sinne des Wortes verwässern wollen, weil es sie billiger käme. Vom Zusatz von Geschmacksverstärkern ganz zu schweigen.

Man könnte den Mayo-Streit natürlich als komische Saucen-Oper abtun, aber im belgischen Königreich sind Saucen ein Politikum. Kein Wunder, dass sich die Regierung eingeschaltet hat. Der Verbraucherschutzminister versucht zu vermitteln. Er hat sich mit Industrie und Konsumentenschützern zusammengesetzt, um eine Lösung für das Mayo-Gesetz zu finden.

Das ist auch dringend nötig, denn es gibt nicht all zu viel, was Belgien zusammenhält. So zerrissen dieses Land ist, so sehr Flamen und Wallonen streiten, bei drei Dingen sind sie sich (und sogar die deutschsprachige Gemeinde) einig: Bier, Fritten und Schokolade. Das können die Belgier, wie sie glauben, auf dieser Welt am besten, und darauf sind sie stolz.

Und damit die weltberühmten belgischen Pommes noch besser schmecken, wird echte Mayonnaise gebraucht. Aber nicht nur dafür. Egal ob zum Sandwich, zum Chateaubriand oder zur gegrillten Dorade: Die Sauce ist Teil der belgischen Esskultur. Selbst Brüsseler Sterneköche bilden sich etwas auf ihre selbstgeschlagene Mayo ein. Wenn man so will, geht es also um nichts anderes als um die Frage des guten Geschmacks.

So sieht man das jedenfalls bei Maison Antoine, der Frittenbude am Place Jourdan. Gegründet 1948 in Brüssel-Etterbeek, sieben Jahre vor dem Mayo-Dekret, frittiert dort jetzt die dritte Generation. Und wie auch immer der königlich belgische Saucen-Streit ausgehen wird, eines ist ganz sicher: Antoine bleibt bei seinem Rezept.

© SZ vom 26.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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