"Masterplan":Europarecht? Pfeif drauf!

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Treibt Seeehofer Grenzpolizisten in eine Straftat, wenn er sie Flüchtlinge an der Binnengrenze festsetzen lässt?

Von Heribert Prantl

Wenn man die 24 Blatt des Seehofer-Plans aneinanderlegt und überall dort einen Blitz einzeichnet, wo er gegen europäisches Recht verstößt, dann sieht dieser Plan so aus wie die Wetterkarte von einer Gewitterfront - jedenfalls in seiner zweiten Hälfte. Im ersten Teil des Plans geht es um Vorschläge zur Fluchtursachenbekämpfung, die diskutierenswert sind. Aber die Blitzerei und Kracherei, die diesem Teil folgt, haut schier alles kaputt. Wenn man dann im "Handlungsfeld Inland/national" noch überall dort graue Wolken malt, wo der Plan mit Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts kollidiert, wird einem bei der Wettervorhersage mulmig.

Der Plan spricht vom Vertrauen in den Rechtsstaat, das es zu erhalten gelte. Es wäre schön, wenn der Plan das beherzigte; er tut es aber nicht; er missachtet EU- Recht - so als sei das minderes Recht; das Gegenteil ist richtig; EU-Recht steht über nationalem Recht. Die "Transitzonen" an Binnengrenzen, die Seehofer einrichten will, sind mit EU-Schengenrecht (von dem Seehofer behauptet, er wolle es durchsetzen) unvereinbar und nach EU-Asylrecht rechtswidrig. Seehofer will offenbar an Binnengrenzen Flüchtlinge festnehmen und in Transitzonen festhalten lassen, auch wenn ihnen nichts vorzuwerfen ist, außer dass sie Asyl wollen. Für einen richterlichen Haftbefehl aber gibt es jedenfalls keine Grundlage; und ein Haftgrund kann per nationalem Recht nicht geschaffen werden, weil und solange EU-Recht entgegensteht. Wenn der Minister seine Beamten trotzdem Flüchtlinge festsetzen lässt, machen er und die Beamten sich womöglich strafbar.

Der Innenminister will offenbar die Regeln des Flughafenverfahrens (dort findet in der Transitzone ein Asyl-Schnellverfahren statt) auf die Binnengrenzen übertragen. Das geht aber nicht und das funktioniert auch nicht. Der Flughafen gilt ja als Außengrenze - und das ist praktikabel: Es gibt eine völkerrechtliche Rückübernahmeverpflichtung des Abflug- und Herkunftsstaates. Und es gibt am Flughafen einen Beförderungsunternehmer, der zum Rücktransport des Flüchtlings verpflichtet ist. Diese Verpflichtung der Fluggesellschaft lässt sich auf die Binnengrenze nicht anwenden. Neuerdings wird zwar im Asylrecht viel mit Fiktionen gearbeitet; aber die Fiktion, jemand, der in Passau kontrolliert wird, sei per Flugzeug dorthin gekommen und damit von dort auch wieder abzutransportieren, gelingt nicht so recht.

Seehofer plädiert für Grenzschutz statt Rechtsschutz; er will Flüchtlinge schon dann abschieben, wenn gegen die Abschiebung noch ein Rechtsmittel läuft; das widerspricht der Rechtsprechung des EU-Gerichtshofs. Er will abzuschiebende Flüchtlinge wie Straftäter behandeln und in normalen Haftanstalten einsperren; das widerspricht der EU-Rückführungsrichtlinie, deren "befristete Aussetzung" Seehofer daher ankündigt. Die Kürzung der Leistungen für Asylbewerber wird gefordert; das widerspricht dem Urteil des Verfassungsgerichts von 2012; da steht, dass Menschenwürde nicht migrationspolitisch relativiert werden darf.

Es gäbe bessere Vorschläge; die Neue Richtervereinigung zum Beispiel hat solche vorgelegt. Sie sind nicht spektakulär, aber praktisch und handeln unter anderem davon, wie man Asylrichter wirklich entlastet und wie die Entscheidungen dort und zuvor schon die beim Bamf besser werden.

Seehofer sollte sie studieren.

© SZ vom 11.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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