Massenproteste in Tibet:Polizei feuert auf Demonstranten in Lhasa

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Tibet erlebt wenige Montate vor den Olympischen Spielen in Peking die heftigsten Proteste seit 1989. Chinesische Truppen gingen gewaltsam gegen Mönche und zivile Demonstranten in der Hauptstadt Lhasa vor. Es gab Tote.

Henrik Bork

Die seit Tagen andauernden Proteste gegen die chinesische Besetzung in Tibet sind am Freitag eskaliert. Chinesische Truppen gingen gewaltsam gegen Mönche und zivile Demonstranten in der Hauptstadt Lhasa vor. Mindestens zwei Menschen wurden nach Angaben von Radio Free Asia getötet. Die EU forderte China zur Mäßigung auf. Das geistige Oberhaupt der Tibeter, der Dalai Lama, äußerte sich im Exil "tief beunruhigt".

Chaos herrscht auf den Straßen Tibets. (Foto: Foto: Reuters)

Die Proteste wenige Monate vor den Olympischen Spielen im August in Peking sind die schwersten seit 1989. Damals hatte die chinesische Führung das Kriegsrecht ausgerufen und war ebenfalls mit Truppen gegen die Tibeter vorgegangen.

Am Freitag seien mehrere Geschäfte in der Nähe des Jokhang-Tempels in der Altstadt von Lhasa in Brand gesetzt worden, berichtete die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua. "Ganz Lhasa ist ein einziges Chaos. Überall sind Soldaten und Polizisten. Von meinem Fenster aus sehe ich Feuer und Rauch", sagte eine Angestellte eines Hotels in Lhasa der Süddeutschen Zeitung am Telefon. "Es ist uns verboten worden, mit Ausländern zu reden. Ich kann nicht weitersprechen", sagte sie.

Am Montag hatten die Proteste friedlich begonnen, als einige Hundert Mönche mit einem Marsch an den 49. Jahrestag eines Aufstandes gegen die chinesische Besatzung erinnern wollten. Den hatte die Volksbefreiungsarmee, die neun Jahre zuvor in Tibet einmarschiert war, im Jahr 1959 blutig niedergeschlagen. Der Dalai Lama war damals über die Grenze ins indische Exil geflohen.

Zunächst waren am Montag etwa 500 Mönche des großen Drepung-Klosters in der Nähe von Lhasa auf die Straße gegangen. Einige Dutzend von ihnen wurden verhaftet. Trotzdem kam es zu öffentlichen Sitzstreiks. Eine kleine Gruppe von Mönchen trug die von China verbotene tibetische Flagge ins Stadtzentrum. Am Dienstag musste Peking dann mehrere Tausend Sicherheitskräfte aufbieten, um eine Demonstration von etwa 600 Mönchen aus dem Kloster Sera aufzulösen.

Die Situation eskalierte am Freitag, als chinesische Soldaten die Mönche des kleinen Ramoche-Klosters im Zentrum Lhasas mit Tränengas auseinander trieben und einige von ihnen festnahmen. Die Sicherheitskräfte gingen dabei nach Augenzeugen-Berichten mit unverhältnismäßig großer Gewalt vor. Erst dann hätten sich Zivilisten den Mönchen angeschlossen. Polizeiautos und Geschäfte seien in Brand gesetzt worden.

Die USA versuchten, mäßigend auf die Regierung in Peking einzuwirken. US-Präsident George W. Bush setze sich für einen Dialog zwischen der chinesischen Führung und dem Dalai Lama ein, sagte der stellvertretende Sprecher des Weißen Hauses, Tony Fratto. Die USA "bedauerten" die gegenwärtigen Spannungen zwischen ethnischen Gruppen und China.

Der Dalai Lama sagte in seinem Exil in Indien, die Proteste der vergangenen Tage seien "Ausdruck des tief verwurzelten Ärgers des tibetischen Volkes" wegen der Politik Pekings. "Einheit und Stabilität unter roher Gewalt ist im besten Falle kurzzeitige Lösung", sagte der Friedensnobelpreisträger. Er rief seine Landsleute in Tibet Lama zu Gewaltlosigkeit auf.

Auch die Staats- und Regierungschefs der EU riefen China zur Zurückhaltung auf. Der EU-Gipfel habe "sehr deutlich gefordert, dass die Respektierung der Menschenrechte gewährleistet sein muss", sagte Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner.

© SZ vom 15.03.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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