Marek Dutschke über seinen Vater:"Er sah die Stasi hinter dem Attentat"

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Rudi Dutschkes Sohn Marek spricht über die Furcht seines Vaters vor der Stasi und erklärt, warum er seine Forderungen in der Bild-Zeitung äußert.

Jochen Arntz

Marek Dutschke, 29, ist der jüngste Sohn des Studentenführers Rudi Dutschke. Er hat seinen Vater nicht mehr kennengelernt, da dieser wenige Monate vor der Geburt des Kindes starb.

Marek Dutschke, Sohn des ermordeten Studentenführers Rudi Dutschke, sagt, sein Vater habe geglaubt, die Stasi sei ihm auf den Fersen. (Foto: Foto: AP)

Rudi Dutschke erlag 1979 den Spätfolgen eines Attentats, das der Anstreicher Josef Bachmann 1968 in Berlin auf ihn verübt hatte. Nach den Stasi-Enthüllungen um die Todesschüsse auf Benno Ohnesorg hat Marek Dutschke gefordert, zu klären, ob nicht auch der Attentäter Bachmann ein Stasi-Mann war. Die Birthler-Behörde aber erklärte nun, über Bachmann liege keine IM-Akte vor.

SZ: Herr Dutschke, Ihr Vater hinterließ Ihrer Familie einen Brief, der erst nach seinem Tod geöffnet werden sollte. Was stand darin?

Marek Dutschke: Der Brief war an meine Mutter Gretchen adressiert, sie hat ihn dann auch geöffnet - und darin las sie, dass mein Vater überzeugt war, die Stasi habe ihm stets nach dem Leben getrachtet, er hat sie auch hinter dem Attentat auf ihn vermutet.

SZ: Warum hat er das gedacht?

Dutschke: Die Ost-Berliner Machthaber hatten wohl durchaus große Angst davor, dass jener antiautoritäre Sozialismus, für den mein Vater stand, ihre Herrschaft in der DDR gefährden könnte. Mein Vater kam ja aus dem Osten und wusste sehr genau, wovor das Regime sich fürchtete. Jeder seiner Besuche in seiner Heimat wurde lückenlos überwacht, und in den Stasi-Akten findet sich die Analyse, dass Rudi Dutschke eine Gefahr für die DDR darstelle.

SZ: Die Birthler-Behörde hat nun erklärt, ihr liege keine IM-Akte des Attentäters Bachmann vor, der ja auch aus der DDR stammte.

Dutschke: Ja, bisher hat man so etwas nicht gefunden. Und ich bin auch kein Verschwörungstheoretiker. Aber interessant ist doch, dass auch die Stasi-Akten, die es über meinen Vater gibt, nicht besonders umfangreich sind und eher private Geschichten dokumentieren. Heute sehe ich, dass es mehr Akten über den Ohnesorg-Todesschützen Karl-Heinz Kurras gibt als über Rudi Dutschke. Und ich glaube immer noch, dass bislang nicht alle Akten über Dutschke aufgetaucht sind. Aber was auch immer sich noch findet, die Arbeit der Geheimdienste im Berlin der Studentenbewegung ist ein Kapitel der deutschen Geschichte, das dringend besser aufgeklärt werden müsste, wie die Ereignisse jetzt zeigen. Es gibt da eine Menge offener Fragen.

SZ: Wie hat denn Ihr Vater die DDR als junger Mann erlebt? Und wie hat er sie später gesehen?

Dutschke: Es gab einen Bruch, nachdem er sich geweigert hatte, in der Nationalen Volksarmee zu dienen. Da bekam er den Repressions-Apparat zu spüren. Zuvor war er ja durchaus gewillt, sein Leben dort zu leben, er wollte Sport-Reporter werden in der DDR, wollte das Land eigentlich gar nicht verlassen. Als er aber sagte, er gehe nicht zur Armee, durfte er auch nicht studieren. So floh er in den Westen, und von dort aus sah er die DDR und die SED sehr kritisch.

SZ: Mit der rigorosen Haltung zur DDR hat er sich in der Studentenbewegung sicher nicht nur Freunde gemacht.

Dutschke: Nein, natürlich hat es unter den 68ern zu großen Spannungen geführt, wenn ehemalige Ostdeutsche wie mein Vater sich für eine Wiedervereinigung des Landes stark machten und in der DDR nun wirklich nicht das bessere Deutschland sehen konnten, wie manche Linke im Westen das damals taten.

SZ: Sie haben auch in der Bild-Zeitung gefordert, man solle prüfen, ob die Stasi mit dem Attentat auf Ihren Vater zu tun habe. Bislang hätte man kaum für möglich gehalten, dass ein Dutschke mit der Bild-Zeitung spricht, nach den Kampagnen des Blattes gegen Ihren Vater.

Dutschke: Das stimmt. Aber die Bild-Zeitung hat Einfluss in Deutschland, und wenn man den für eigene Forderungen nutzen kann, finde ich es okay. Interessant aber ist doch zu sehen, wie Bild heute mit dem Fall Ohnesorg umgeht, das Motiv ist ja durchschaubar: Indem sie die Geschichte jetzt auf die Stasi konzentriert, kann sie von der eigenen historischen Schuld ablenken, denn Bild hat ja die Stimmung gegen die Studenten angefacht und das Klima des Hasses erzeugt.

© SZ vom 27.05.2009/job - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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