Mächtige von morgen (4): Boris Palmer:Der Stern am schwarz-grünen Himmel

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Mit 35 ist Boris Palmer bereits Tübinger Oberbürgermeister - als Grüner. Mit der CDU kann er schon jetzt besser als mit der SPD. Palmer könnte zum Architekten der ersten schwarz-grünen Koalition an höherer Stelle werden.

Sarina Märschel

Mit Geld kann man zwar nicht alles kaufen, Obst für gewöhnlich schon. Doch beim Obststand von Helmut Palmer auf dem Tübinger Wochenmarkt war eine umweltbewusste Einstellung noch wichtiger als Geld. Die Studenten in Tübingen erzählen, dass er jeden weggeschickt hat, der eine Plastiktüte dabei hatte. Ohne Äpfel.

Boris Palmer hat gut lachen: Mit 35 schon OB - und glänzende Aussichten auf weitere Karriere (Foto: Foto: dpa)

So kompromisslos wie beim Obststand war Helmut Palmer auch in seinen politischen Ansichten - und deren Umsetzung. Als Unabhängiger trat er bei über 200 Wahlen an, er bekämpfte die Atomkraft und den Antisemitismus. Manchmal blieb es nicht bei Wortgefechten. Wegen Beleidigung, Körperverletzung und anderen Delikten saß er zwei Jahre lang im Gefängnis. Im Ländle hieß er "der Remstal-Rebell".

"Keine Laissez-faire-Politik"

Die Leidenschaft für die Umwelt und das Streben nach einer gerechteren Welt hat Boris Palmer vom Vater. Prinzipientreue und ein festes Wertesystem hat er ebenfalls geerbt. Und dieses Wertesystem hat für den Grünen-Politiker, der vor neun Monaten im ersten Wahlgang zum Oberbürgermeister von Tübingen gewählt und von der Zeitschrift Politik & Kommunikation zum Politikaufsteiger des Jahres 2006 gekürt wurde, auch konservative Bezugspunkte: "Ich stelle immer stärker fest bei unserer Wählerschaft, dass sie im Bereich des Zusammenlebens auch normativ eingreifen wollen, also keine Laissez-faire-Politik."

Sowohl im Hinblick auf die Hilfe für die Schwachen als auch im Einfordern von Regeln würden die Wähler das Zusammenleben "nicht der freien Wildbahn überlassen" wollen. Als Beispiel nennt der 35-jährige Palmer, dass es die Leute stört, wenn die Stadt nach einer Partynacht mit Glasscherben und Abfällen vollgemüllt ist.

Anders als sein Vater sind die Werte für Boris Palmer aber nicht sakrosankt. Er verfügt auch über Kompromissbereitschaft - und ein gehöriges Maß Pragmatismus, der manchmal auch machttaktischem Kalkül folgt. Etwa, als es im Tübinger Stadtrat um die Sanierung einer Gemeindestraße ging.

Palmer lag viel daran, die CDU zur Zustimmung zum Haushalt zu bewegen. "Also Straßenbau ist ja jetzt nicht so das grüne Paradepferd, aber in diesem Fall habe ich gesagt, die 700.000 Euro sind es wert, um die CDU einzubinden. Außerdem kann auch ein grüner Oberbürgermeister nicht stolz auf eine Schlaglochstadt sein."

Dass er das überhaupt wurde, hat er zu einem kleinen Teil auch der CDU zu verdanken. Im Wahlkampf wurde er von Manfred Rommel, dem früheren Stuttgarter CDU-Oberbürgermeister, und dem Ersten Bürgermeister von Stuttgart, Michael Föll, unterstützt. Und der CDU-Fraktionsvorsitzende im Tübinger Stadtrat ließ sich in der Zeit sogar zu der Aussage hinreißen: "Boris ist ein Star." Das dürfte in der CDU zwar eine Minderheitenmeinung sein, jedenfalls ist Palmer der Stern am schwarz-grünen Himmel.

Kombination von ökologischer und ökonomischer Kompetenz

Auch umgekehrt funktionierte das Spiel schon. Nachdem Palmer 2004 bei der OB-Wahl in Stuttgart im ersten Wahlgang ausgeschieden war, gab er vor der Stichwahl eine Empfehlung für CDU-Amtsinhaber Schuster aus. Den Sozialdemokraten und einigen Parteikollegen klappte die Kinnlade herunter.

Doch nicht nur auf kommunaler Ebene wünscht sich Palmer Bande mit der CDU. Schon während seiner Zeit als Landtagsabgeordneter fiel er durch sein Faible für eine schwarz-grüne Koalition auf. Jetzt, als Kommunalpolitiker, will er den Parteikollegen in Sachen Bundes- und Landespolitik zwar nicht reinreden. Aber seine Meinung hat sich nicht geändert: "Der inhaltliche Kern wäre aus meiner Sicht die ökonomische Kompetenz der CDU zusammen zu bringen mit der ökologischen Kompetenz der Grünen, also daraus etwas Neues zu machen, neue Dynamik zu entfalten."

Und neben diesem Werteaspekt denkt Palmer auch ganz pragmatisch: "Ich sehe da mehr Potential drin als in der Wiederauflage von Rot-Grün, weil man ziemlich klar sehen kann, dass Rot-Grün gegenüber der Wirtschaft nicht die gleichen Durchsetzungsmöglichkeiten hat wie Schwarz-Grün."

Das ist bei den Bundes-Grünen sicher noch eine Minderheitenposition, dennoch bezeichnet Palmer die Beziehung zu seiner eigenen Partei Palmer als "in weiten Teilen von großer Übereinstimmung geprägt".

"Die Menschheit retten"

Bevor Palmer OB der 87.000-Einwohner-Stadt im Schwäbischen wurde, saß er im baden-württembergischen Landtag und tat sich dort als verkehrspolitischer Sprecher seiner Fraktion hervor. 2001 und 2006 holte Palmer seine Mandate, bei der ersten Wahl war er erst 28 Jahre alt.

Bereits als Student hatte er an der Einführung des Semester-Tickets und der Nachtbusse in Tübingen und Reutlingen mitgewirkt. Im Kleinen bastelt er an der Umsetzung seiner Ideale: "Ich bin Politiker geworden, weil ich schon als junger Mensch der Überzeugung war, die Aufgabe meiner Generation ist es, den Planeten vor der selbst verschuldeten Zerstörung durch die Menschheit zu retten. Und in der Demokratie heißt das auch, politisch aktiv zu werden", sagt er heute.

Was soll aus einem wie Palmer noch werden? Brüssel? Berlin? Palmer ist nicht verlegen um eine Antwort: "Vorstellen kann man sich viel. Fantasielose Menschen sollte man nicht in Führungspositionen wählen." Im Moment seien solche Gedanken aber weit weg für ihn: "Ich hab als Oberbürgermeister in Tübingen weit mehr Projekte begonnen als beendet, und bevor ich mir überlege, wieder wegzugehen, muss die Bilanz anders aussehen."

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