Machtvakuum im Libanon:Ausnahmezustand droht

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Die seit Monaten andauernde politische Krise im Libanon hat sich am Freitag dramatisch zugespitzt. Die Wahl eines neuen Präsidenten scheiterte erneut. Ab Samstag hat das Land kein Staatsoberhaupt mehr, der Ausnahmezustand droht. In Beirut bezogen Soldaten und Panzer Stellung.

Die seit Monaten andauernde politische Krise in dem arabischen Mittelmeer-Staat hat sich am Freitag dramatisch zugespitzt. Wenige Stunden vor Ablauf seiner Amtszeit um Mitternacht erklärte Präsident Émile Lahoud, die Armee müsse für die Sicherheit im Land sorgen, bis ein Nachfolger für ihn gefunden sei. Zuvor hatten in Beirut bereits Soldaten und Panzer an allen wichtigen Kreuzungen Stellung bezogen.

Am Mittag war zum fünften Mal in wenigen Wochen die Wahl eines neuen Präsidenten gescheitert. Die anti-syrische Fraktion von Ministerpräsident Fuad Siniora und die Damaskus-treue Opposition hatten sich nicht auf einen Kompromisskandidaten einigen können. Das Votum sei auf nächsten Freitag verschoben worden, teilte Parlamentspräsident Nabih Berri mit. Weitere Konsultationen seien erforderlich. Damit ist das Land mindestens eine Woche lang ohne Staatsoberhaupt.

Opposition droht mit Gegenregierung

Lahoud erklärte, die Lage im Land sei so angespannt, dass der Ausnahmezustand drohe. Seine Erklärung, die Armee solle die Sicherheit garantieren, stieß umgehend auf Protest der Regierung. Deren Sprecher sagte, die Erklärung des pro-syrischen Präsidenten verstoße gegen die Verfassung und sei ungültig. Beobachter befürchten, wegen des Machtvakuums könne es zu Unruhen kommen.

Die Opposition hat bereits damit gedroht, eine "Gegenregierung" aufzustellen. Die Menschen zogen sich nach Bekanntgabe des erneuten Scheiterns der Wahl in ihre Häuser zurück. Viele Libanesen hatten in den vergangenen Tagen aus Angst, dass die politische Krise in Gewalt umschlägt, Lebensmittel gehortet.

Zuvor waren bereits vier Anläufe zur Präsidentenwahl gescheitert, weil sich die anti-syrische Parlamentsmehrheit um Regierungschef Siniora und die von der radikal-islamischen Hisbollah angeführte Opposition nicht auf einen Kandidaten verständigen konnten. Die pro-westliche Siniora-Fraktion erschien am Freitag im Parlament. Doch für die Wahl ist die Anwesenheit von zwei Drittel der Parlamentarier nötig, die ohne die Opposition nicht zustande kommt.

Die Europäische Union forderte alle politischen Parteien auf, den Dialog fortzusetzen, um "so rasch wie möglich" einen Präsidenten zu wählen. Internationale Vermittler hatten in den vergangenen Tagen mehrfach den "Starrsinn" der libanesischen Politiker beklagt und ihnen vorgeworfen, sie steuerten das Land mit ihrer Kompromisslosigkeit auf einen Abgrund zu.

Der libanesische Präsident muss verfassungsgemäß ein maronitischer Christ sein, während das Amt des Regierungschefs den sunnitischen Muslimen, das des Parlamentspräsidenten den Schiiten vorbehalten ist.

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