Machtkampf in Hessen:Wie in der Dreigroschenoper

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Das Treffen zwischen Hessens SPD-Chefin Ypsilanti und der Linkspartei ist nicht im Sinne der neuen Parteiführung in Berlin. Dennoch wird sie Ypsilanti nolens volens freie Bahn lassen.

Heribert Prantl

In der SPD geht es zu wie in der Dreigroschenoper. Ypsilanti spielt die Polly, Lafontaine ist Mackie Messer, Müntefering und Steinmeier teilen sich die Rolle des Bettlerkönigs Peachum.

Traf sich mit der hessischen Linken: SPD-Landeschefin Ypsilanti. (Foto: Foto: Reuters)

Im Theater ist es so, dass Peachums Tochter Polly sich mit Mackie herumtreibt, zum Ärger der Eltern und dann gar noch das Äußerste wagt: Sie heiratet Mackie in einem Pferdestall.

In der SPD ist es noch nicht ganz so schlimm: Ypsilanti traf sich mit den hessischen Linken in der SPD-Landesgeschäftsstelle zu Wiesbaden - um über die Tolerierung einer rot-grünen Landesregierung zu reden. Das ist nicht im Sinn der neuen Parteiführung. Aber die wird sich hüten, das sehr laut zu sagen: Die Verhältnisse, sie sind nicht so.

Erstens haben Müntefering und Steinmeier auf den Gang der hessischen Dinge kaum Einfluss. Würden sie ihn zu nehmen versuchen, hätten sie den ersten Großstreit am Hals, stünden sie in ihrer Partei da als die Exekutoren der Forderungen von Union und FDP. Vorderhand können die beiden noch so tun, als hätten sie mit den hessischen Dingen nicht so viel zu tun, weil die ihnen von Beck eingebrockt worden seien. Das stimmt zwar nicht, ist aber eine bequeme Ausrede.

Wenn Müntefering und Steinmeier vorerst gute Miene zum hessischen Spiel machen, gelingt es ihnen aber womöglich, das Grundmisstrauen der Parteilinken und eines nicht unerheblichen Teils der Parteibasis ein wenig abzubauen. Das heißt: Mit etwas Nachgiebigkeit werden die beiden stärker.

Sie werden also in die Agenda ein paar Tropfen soziales Öl träufeln; und sie werden nolens volens Andrea Ypsilanti freie Bahn lassen. Scheitert sie, ist es der neuen Parteiführung sehr recht. Gewinnt sie, dann kommt die SPD-Führung ohne eine plausible Erklärung des Verhältnisses der Bundes-SPD zur Linkspartei nicht aus.

Kein Mensch kann vernünftig erklären, warum das, was im Osten möglich ist (nämlich Koalitionen der SPD mit den Linken), im Westen des Teufels sein soll. Und es ist auch nicht ganz einfach darzustellen, warum das, was unter Wowereit im Roten Rathaus zu Berlin als rot-rote Koalition Alltag ist, als Todsünde einzustufen ist, wenn es ein paar hundert Meter weiter im Bundestag praktiziert würde. Mit Koalitionen ist es so wie mit der Lüge: Wer einmal koaliert... Die Union hat schon recht, wenn sie immer wieder auf die Widersprüchlichkeiten verweist.

Wie also wird sich die neue Parteiführung dazu erklären? Die einzige halbwegs nachvollziehbare Darlegung wird wohl diese sein: Solange die Linkspartei außenpolitisch weit, weit jenseits des Rubikons agiert, solange sie aus der Nato austreten will (etc., etc.), ist eine Koalition auf Bundesebene ausgeschlossen. In politischen Zeiträumen wird es ewig dauern, bis sich in der Linkspartei etwas ändert, also kommt ein Bündnis auf Bundesebene de facto nicht in Betracht.

Bei Brecht wird Mackie Messer im dritten Akt begnadigt und in den Adelsstand erhoben. In der Politik geschieht so etwas allenfalls im Saarland.

© SZ vom 10.09.2008/dmo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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