London:Anschläge vermutlich von Sebstmordattentätern verübt

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Nach Angaben von Scotland Yard sind höchstwahrscheinlich alle vier Attentäter bei den Bombenexplosionen in den U-Bahnen und einem Bus ums Leben gekommen. Sollte sich dies bestätigen, so wären dies die ersten Selbstmordanschläge in Europa. Die Attentäter sind vermutlich Briten pakistanischer Herkunft.

Die Bombenanschläge von London sind wahrscheinlich von Selbstmordattentätern verübt worden. Fünf Tage nach den Anschlägen mit mehr als 50 Toten hat Scotland Yard mitgeteilt, dass höchstwahrscheinlich alle vier Attentäter bei den Anschlägen auf drei U-Bahnen und einen Doppeldeckerbus ums Leben gekommen sind.

Die Circle Line U-Bahn, in der zwischen Liverpool Street und Aldgate eine Bombe explodiert war. (Foto: Foto: AP)

Sollten sich die Berichte bestätigen, wären es die ersten Selbstmordanschläge in West-Europa.

Offenbar hat die Polizei die Attentäter inzwischen identifiziert. Bei den mutmaßlichen Tätern handelt es sich demnach um vier Briten mit pakistanischen Wurzeln. Drei der Männer im Alter zwischen 19 und 30 Jahren waren Freunde und wohnten in der nordenglischen Stadt Leeds.

Der vierte soll aus Luton bei London stammen. Freunde eines der Terroristen, Shahzad Tanweer, sagten dem Fernsehsender ITV News Channel, er sei in den vergangenen sechs Monaten nach Afghanistan und Pakistan gereist. Dies könne darauf schließen, dass Tanweer ein al-Qaida-Trainingscamp besuchte, hieß es.

Anleitung von al-Qaida

Medienberichten zufolge befürchten die Ermittler, dass ein Mitglied der Terrororganisation al-Qaida die vier Selbstmordattentäter angeleitet und Großbritannien vor der Tat selbst verlassen haben könnte. Außerdem wurden Befürchtungen laut, es könnten weitere solcher Anschläge im Vereinigten Königreich vorbereitet werden.

Premierminister Tony Blair erklärte in einer von seiner Labour- Partei verbreiteten E-Mail, die Versuche von Terroristen, die Strukturen der britischen Gesellschaft zu zerstören, seien zum Scheitern verurteilt. "Wir sind entschlossen (...) sicherzustellen, dass unsere Werte und unsere Lebensweise ungeschmälert bestehen bleiben", hieß es.

Der Rat der Muslime in Großbritannien zeigte sich schockiert über die neuen Erkenntnisse. "Es sieht so aus, als seien unsere Jugendlichen in die schrecklichen Bombenanschläge gegen Unschuldige in der vergangenen Woche verwickelt", sagte der Generalsekretär des muslimischen Dachverbands, Iqbal Sacranie, am Dienstag.

Er sicherte den Behörden erneut die Zusammenarbeit zu. "Durch nichts im Islam können die bösartigen Taten der Bombenattentäter gerechtfertigt werden", sagte Sacranie weiter.

Bei den Anschlägen waren am vergangenen Donnerstag mindestens 52 Menschen getötet und etwa 700 verletzt worden. Endgültige Gewissheit über die Täter gebe es erst nach weiteren kriminaltechnischen Untersuchungen auch der Leichen, sagte ein Polizeisprecher am Dienstag.

Der Weg der Terroristen

Aber an allen vier Anschlagsorten seien persönliche Dokumente gefunden worden, anhand derer die Männer identifiziert worden seien, hieß es. Außerdem habe man Aufnahmen von Überwachungskameras, die alle vier gemeinsam am Donnerstagmorgen kurz vor den Anschlägen im Londoner Bahnhof King's Cross zeigten. Nach späteren Angaben trugen sie zu jenem Zeitpunkt Rucksäcke. Dann trennten sie sich.

Über die Station King's Cross fuhren die drei U-Bahnlinien, in denen dann die Bomben explodierten. Auch der Bus, in dem eine Bombe gezündet wurde, war dort abgefahren.

Auf die Spur der Männer sei man durch einen Anruf der Familie eines der mutmaßlichen Attentäter gekommen, die ihren Sohn kurz nach den Anschlägen als vermisst gemeldet hatte. Im Zuge der Ermittlungen wurde am Dienstag außerdem ein Verdächtiger festgenommen, zu dem aber zunächst keine weiteren Angaben gemacht wurden.

Hausdurchsuchungen in Leeds

Eine Anti-Terror-Einheit von Scotland Yard hatte seit dem Morgen im Raum Leeds sechs Häuser durchsucht, darunter die Wohnungen von drei der mutmaßlichen Attentäter. In einem der Häuser wurde nach Angaben des Senders BBC eine größere Menge "explosiven Materials" gefunden.

Kurze Zeit später evakuierte die Polizei den Bahnhof von Luton und ein angrenzendes Parkhaus. In der Stadt nördlich von London wurde dabei ein Auto sichergestellt, in dem später ebenfalls Sprengstoff entdeckt wurde. Leeds und Luton liegen an der Bahnlinie nach London, die im Bahnhof King's Cross endet.

In Brüssel warb die britische Regierung unterdessen für eine noch entschlossenere Bekämpfung des Terrorismus. Außenminister Jack Straw forderte unter anderem, dass nationale Behörden einen Zugriff auf die Daten von Mobilfunkanbietern in anderen EU-Staaten haben müssten. Finanzminister Gordon Brown sagte, die EU wolle alles tun, um die Finanzquellen terroristischer Drahtzieher auszutrocknen.

Die Abwehr terroristischer Bedrohungen steht auch am Mittwoch im Mittelpunkt der EU-Politik. Die Innen- und Justizminister der 25 EU- Staaten kommen in der belgischen Hauptstadt zu einem Sondertreffen zusammen, um über Konsequenzen aus den Anschlägen von London zu beraten.

Londons Innenminister Charles Clarke wird zuvor das Europa- Parlament über die britischen Ziele in der Innen- und Justizpolitik informieren. Die EU-Kommission beschäftigt sich unterdessen mit den Plänen von Justizkommissar Franco Frattini zur Terrorbekämpfung.

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