Lohngerechtigkeit:Frauen müssen weiter warten

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Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig kämpft um gerechtere Bezahlung für Frauen. Die Union befürchtet zu viel Bürokratie.

Von Constanze von Bullion , Berlin

Umgänglich im Ton, ohne jede Annäherung in der Sache - bis nach Mitternacht rang Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) am Donnerstag im Koalitionsausschuss mit den Vorsitzenden von CDU und CSU um das Lohngerechtigkeitsgesetz. Ergebnis: vorerst keines. Im Kanzleramt konnte man sich nicht darauf einigen, ob und wie viele Frauen künftig erfahren können, ob sie weniger verdienen als Männer in vergleichbaren Positionen. Die Unterhändler verständigten sich lediglich darauf, das Projekt nicht zu begraben, sondern weiterzuverhandlen.

Für Schwesig, die das "Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern" zur letzten Schlacht ihrer Amtszeit machen dürfte, ist das Verhandlungsergebnis ernüchternd. "Es war immer klar, dass es harte Auseinandersetzungen werden und ich werde dran bleiben", sagte sie der Süddeutschen Zeitung. Sie sei aber "zuversichtlich, dass wir auch in dieser Frage ein gemeinsames Gesetz machen."

Tatsächlich liegen die Positionen noch weit auseinander. Schwesigs Gesetzentwurf sieht vor, dass alle Arbeitnehmer erfahren können, warum sie wie viel verdienen. Sie sollen ihren Verdienst auch mit dem Durchschnittseinkommen von "mindestens fünf Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts" in vergleichbarer Position vergleichen können. Zeigt sich Benachteiligung - dies dürfte nur selten bei Männern der Fall sein - muss der Arbeitgeber sie beseitigen - oder nachweisen, dass er gerecht bezahlt. Betriebe ab 500 Mitarbeitern sollen verpflichtet werden, regelmäßig zu prüfen, ob in verschiedenen Berufsfeldern hinsichtlich Belastung und Geschlecht gerecht bezahlt wird. Sie müssen im Lagebericht darlegen, ob sie Frauen fördern und für Lohngerechtigkeit sorgen.

Dass die Gehälter woanders gerechter sind, zählt nicht als Argument

Viele Unionspolitiker befürchten, dass das Gesetz zu viel Bürokratie verursacht. Auch der Hinweis, dass die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern in Deutschland größer ist als in vielen Nachbarländern, verfängt bei der Union nicht. Frauen seien wegen Berufswahl und Babypausen selbst verantwortlich für schlechtere Bezahlung.

Die Verlockung in der Union ist groß, das Gesetz zu verzögern, bis der Wahlkampf anbricht. Keinesfalls will man mehr umsetzen als im Koalitionsvertrag vereinbart. Der aber ist an entscheidenden Stellen unscharf formuliert, zum Leidwesen der SPD. Zur größten Hürde machte die Union im Koalitionsausschuss die Frage, für welche Unternehmen das Gesetz gelten soll. Im Koalitionsvertrag heißt es, für "Unternehmen ab 500 Beschäftigen" werde eine Berichtspflicht eingeführt und "darauf aufbauend" ein individueller Auskunftsanspruch für Arbeitnehmer. Die Union versteht das so, dass das ganze Gesetz nur für Betriebe ab 500 Mitarbeitern gilt. Dem Vernehmen nach will sie Betriebe - anders als die SPD - auch nicht zu Analyse und Prüfung der Bezahlpraxis verpflichten, sondern nur zu freiwilligen Maßnahmen auffordern. Die weniger aufwendige Berichtspflicht soll statt für 6000 Betriebe nur für 4000 gelten. Friss Vogel - oder vergiss das Gesetz, ist da die Devise.

Schwesig hält dagegen, besonders beim Auskunftsanspruch, der allen Arbeitnehmern zustehen soll. Es sei nicht sinnvoll, dass das Gesetz nur für 20 Prozent der Beschäftigten gelte, gerade in kleinen Betrieben würden Frauen benachteiligt. "Dieser Vorwurf, der Gesetzentwurf gehe über den Koalitionsvertrag hinaus, ist unberechtigt, und er lenkt davon ab, dass es Streit in der Sache gibt", sagte sie. Ziel sei, mit dem Gesetz "so viele Frauen wie möglich" zu unterstützen", statt es wie die Union "sehr klein" zu halten. Wann weiterverhandelt wird, ist offen.

© SZ vom 03.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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