Linkspartei nach Bremen-Wahl:Mulmig vor lauter Glück

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Die Linke hat in Bremen ein historisches Ergebnis eingefahren. Zum ersten Mal zieht die Partei in ein West-Parlament ein - und zwar mit enormer Wucht. Das könnte Folgen haben.

Robert Roßmann

Mit diesem Ergebnis hatten nicht einmal die größten Optimisten im Karl-Liebknecht-Haus gerechnet. Um die fünf Prozent werde man wohl erreichen, hatte es in der Linkspartei-Zentrale bis zuletzt geheißen. Angesichts der zerstrittenen und etwas eigenartigen Bremer Linken wäre dies schon ein tolles Ergebnis. Und so waren in der Stunde des Triumphs die beiden bekanntesten Gesichter des Erfolgs in Bremen gar nicht zu sehen: Gregor Gysi war in Berlin geblieben - und Oskar Lafontaine saß zu Hause im Saarland.

Die Vorzeige-Linken mussten ihren größten Erfolg seit dem Einzug in den Bundestag deshalb weitab der Hansestadt feiern - und das taten sie dann auch. Das Ergebnis verändere die deutsche Parteienlandschaft, frohlockte Gysi. Endlich herrsche Normalität in Deutschland: Wie in den meisten europäischen Ländern gebe es jetzt auch in der Bundesrepublik eine gesamtdeutsche Kraft links der Sozialdemokratie.

Erste Sorgen im Jubel

Fast neun Prozent für die Linken, das ist tatsächlich ein historisches Ergebnis. Zum ersten Mal ziehen die Linken in ein West-Parlament ein. Und das nicht mit einem knappen Ergebnis, sondern mit einer Wucht, dass den Sozialdemokraten angst und bange werden muss. Mit der Wahl vom Sonntag ist aus der ostdeutschen Regionalpartei PDS endgültig eine gesamtdeutsche Linkspartei geworden.

So gut ist das Ergebnis ausgefallen, dass sich bei den Linken schon am Sonntagabend erste Sorgen in den Jubel mischten. "Jetzt könnten die Bremer Linken übermütig werden", hieß es in der Berliner Fraktionsspitze. Und manch einer blickte sorgenvoll auf die künftigen Bremer Abgeordneten. Einigen der plötzlich ins Parlament Gespülten traut die Parteispitze erhebliches Chaos-Potential zu.

Selbst der Spitzenkandidat Peter Erlanson ist manchem in Berlin nicht ganz geheuer. Die Bundespartei hätte gerne jemand anderen an seiner Stelle gesehen - konnte sich aber nicht durchsetzen: Der über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Bremer Ökonomie-Professor Rudolf Hickel wollte nicht Spitzenkandidat werden.

Und der Bremer Bundestagsabgeordnete Axel Troost, nach Hickels Absage Favorit der Berliner, war bei den örtlichen Genossen nicht durchsetzbar. Und so machte Erlanson das Rennen.

Karl Marx oder Robinson Crusoe

Der 47-Jährige ist Betriebsrat im Bremer Klinikum. Wegen seiner Ansichten und seines zotteligen Äußeren hatte er schnell den Titel "Karl Marx von Bremen" weg. In der Bundestagsfraktion stöhnte man über die Entscheidung. Erlanson erinnere nicht an Karl Marx, hieß es dort verächtlich, sondern an Robinson Crusoe. Wenn die Bremer Linken mit ihm vier Prozent holten, wäre das schon ein Erfolg.

Jetzt sind es sogar mehr als acht geworden. Nicht auszudenken, wo die Linken gelandet wären, wenn sie nicht mit einer Chaos-Truppe angetreten wären. Die in den Niederungen des schwierigen Zusammenschlusses erlahmte Linke hat am Sonntag wieder Schwung genommen.

Am kommenden Wochenende werden WASG und Linkspartei auch noch die Ergebnisse der Urabstimmungen über ihre Fusion bekannt geben - an den nötigen Mehrheiten zweifeln jetzt selbst die größten Skeptiker nicht mehr. Die Linken in ihrem Lauf hält offenbar niemand mehr auf.

© SZ vom 14.05.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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