Liechtenstein:Fürst nennt BRD "Viertes Reich"

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Eklat um Hans-Adam II.: In einem Brief an das Jüdische Museum in Berlin hat der Fürst Deutschland als "Viertes Reich" bezeichnet. Der Zentralrat der Juden ist entsetzt.

Der Fürst von Liechtenstein, Hans-Adam II., hat Deutschland scharf angegriffen und von einem "Vierten Reich" gesprochen. Liechtenstein habe in den letzten 200 Jahren schon "drei Deutsche Reiche" überlebt. Es hoffe, auch noch das vierte Reich zu überleben, schrieb der Fürst in einem Brief an den Präsidenten des Jüdischen Museums Berlin, Michael Blumenthal. Das berichtet der Tages-Anzeiger aus Zürich. Blumenthal, der 1939 vor den Nationalsozialisten aus Berlin flüchten musste, möchte sich laut Tages-Anzeiger bislang nicht äußern.

Mit seinem Schreiben, das auf den 24. Juni datiert ist, habe der Fürst begründet, warum Liechtenstein keine Leihgaben mehr aus der eigenen Kunstsammlung nach Deutschland bringe. Liechtenstein wolle seine Kunstwerke nicht dem Risiko einer selektiven Anwendung des Rechtsstaats in der Bundesrepublik Deutschland aussetzen, schreibt der Fürst in seinem Brief. Das Jüdische Museum hatte sich für eine Ausstellung zum Thema "Raub und Restitution" für ein Gemälde aus der fürstlichen Sammlung interessiert.

Die Bundesrepublik Deutschland sei in ihren Beziehungen zum Fürstentum Liechtenstein je länger desto weniger geneigt, sich an den Grundprinzipien des internationalen Völkerrechts zu orientieren. Der Fürst verwies auf die Weigerung Deutschlands, ein Gemälde zu beschlagnahmen und herauszugeben, das nach dem Zweiten Weltkrieg in der damaligen Tschechoslowakei konfisziert worden war.

Die Beziehungen zwischen Deutschland und Liechtenstein hätten in den vergangenen 200 Jahren einer Berg- und Talfahrt geglichen. Mit dem zweiten Deutschen Reich befinde sich Liechtenstein noch immer im Kriegszustand, da dieses untergegangen sei, bevor es mit dem Fürstentum habe Frieden schließen können, heißt es in dem Brief laut Tages-Anzeiger weiter.

Dies ist jedoch nach Recherche von sueddeutsche.de bei Liechtensteinischen Geschichtswissenschaftlern faktisch nicht richtig: Das Fürstentum fühlte sich während des Preußisch-Österreichischen Krieges - des Deutschen Krieges von 1866 - zwar dem Kaisertum Österreich verbunden, verhielt sich aber im Krieg mit Preußen neutral. Die Legende, dass man sich mit Preußen - das erst fünf Jahre später die Führungsrolle im vom Hans-Adam II. wohl gemeinten und nach dem Ersten Weltkrieg 1918 "untergegangenen" zweiten Deutschen Kaiserreich übernahm - noch immer im Krieg befände, weil man im Prager Friedensvertrag nicht erwähnt sei, wird jedoch weiterhin gerne im "Ländle" kolportiert.

Das Dritte Reich, die Zeit der nationalsozialistischen Regierung zwischen 1933 und 1945, sei Gott sei Dank untergegangen, bevor es seine Drohung habe in die Tat umsetzen können, das Fürstentum Liechtenstein anzuschließen. Was die Beziehungen zu Deutschland angehe, warte das Füstentum auf bessere Zeiten.

Für großen Unmut hatte vor wenigen Monaten in Liechtenstein die deutsche Steuerfahndung im Fürstentum gesorgt. Dabei kaufe der Bundesnachrichtendienst einem ehemaligen Angestellten der dem Liechtensteiner Fürstenhaus gehörenden LGT-Bankengruppe vertrauliche Kundendaten ab. Diese werden nun in Deutschland für Verfahren gegen Steuerhinterzieher verwendet, die ihr Vermögen in Liechtenstein vor dem Finanzamt verstecken wollten.

Diplomatische Antwort aus dem Außenministerium

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin sagte im Gespräch mit sueddeutsche.de zu den Vorwürfen im fürstlichen Schreiben: "Die Bundesrepublik Deutschland respektiert das Völkerrecht und internationale Rechtsnormen - selbstverständlich auch in Bezug auf Liechtenstein. Die bilateralen Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern sind eng und gut nachbarschaftlich."

Deutlicher äußerte sich Salomon Korn, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, im Gespräch mit der Schweizer Zeitung. "Die Aussage des Fürsten ist völlig abwegig." Korn sagte, er verstehe zwar, dass der Fürst wegen der Methoden der deutschen Steuerfahnder ungehalten sei. Doch dieser Ärger berechtige Hans-Adam II. noch lange nicht zu solchen Aussagen.

Zentralrat der Juden fordert Entschuldigung

Korn wird mit den Worten zitiert: "Der Fürst verharmlost die Verbrechen der Nationalsozialisten, indem er die Bundesrepublik in eine Reihe mit dem Dritten Reich stellt." Der Zentralrat erwarte vom Hans-Adam II. eine Entschuldigung beim Direktor des Jüdischen Museums, der im übrigen der falsche Ansprechpartner sei.

Die Äußerung des Fürsten ist nicht die erste, die für Diskussionen sorgt. Hans-Adam II. hatte sich im Frühjahr beim Staatssender Radio Liechtenstein über "einen gezielten und sorgfältigst vorbereiteten Angriff" des deutschen Geheimdienstes auf sein Land beklagt.

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