Lichterkette gegen Atomkraft:Tausende gegen Asse

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Mehr als 10.000 Bürger haben mit Fackeln und Kerzen in der Region Braunschweig gegen Atomkraft demonstriert.

Mit einer Lichterkette haben am Donnerstagabend nach Polizeiangaben weit mehr als 10.000 Menschen auf einer 52 Kilometer langen Strecke in der Region Braunschweig gegen Atomkraft demonstriert.

"Etwa alle drei Meter stand jemand - das ist mehr als ich mir erträumt habe", sagte Organisator Peter Dickel. "Trotz Kälte, Nieselregen und Wind haben die Menschen ein deutliches Zeichen gegen Atomkraft gesetzt." In der Asse lagern rund 126.000 Fässer mit Atommüll, unter anderem aus 13 Atomkraftwerken in Deutschland, die zwischen 1967 und 1978 arbeiteten. Als größtes Problem gilt die Einsturzgefahr des alten Salzbergwerkes. In der Asse war unter anderem ausgetretene Lauge radioaktiv verseucht worden.

Von Braunschweig bis zum etwa 25 Kilometer entfernten einsturzgefährdeten Atommülllager im Kreis Wolfenbüttel und von dort bis zum künftigen atomaren Endlager Schacht Konrad in Salzgitter entzündeten die Menschen bei starkem Wind Punkt 19.00 Uhr Fackeln und Wunderkerzen oder schalteten Taschenlampen ein. An 78 Punkten hatten sich Bürger von etwa 200 Vereinen, Kirchengemeinden, Gewerkschaften, Parteien, Schulklassen und anderen Gruppen eingefunden. "Der Auf- und Abbau, es ist alles reibungslos verlaufen", berichtete Udo Dettmann vom Organisationsteam, das von 15.000 Teilnehmern spricht.

Der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), Wolfram König, sagte zum Auftakt der Aktion unter dem Motto "Licht ins Dunkel bringen" vor Schacht Konrad: "Wir stellen uns dem Bürger. Wir sind für Offenheit." Die Asse ist nach Ansicht des BfS - seit Jahresanfang neuer Betreiber des Atommülllagers - eines der größten Umweltprobleme in Deutschland.

"Es haben ganz viele Menschen teilgenommen, die bislang noch nie demonstriert haben", sagte Dickel. Die Pannen in der Asse hätten viele Menschen für das Thema sensibilisiert. "Die ganzen möglichen Folgen der Atomenergie sind mir zu gefährlich, so kann es nicht weitergehen", begründete Käthe Plöger-Rohloff ihre Teilnahme. Die Ergotherapeutin hatte sich mit Freunden und Nachbarn am Stadtrand von Braunschweig zusammengefunden. "Mir macht mir Angst, was da in der Asse passiert", sagte Angela Hogrefe aus Dettum.

Die Grünen hatten bereits am späten Nachmittag in der Braunschweiger Innenstadt zu einer Kundgebung aufgerufen, zu der auch der ehemalige Bundesummweltminister Jürgen Trittin gekommen war. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, Stefan Wenzel, sagte: "In der Asse wurde Recht und Gesetz gebrochen. Die Gesundheit und das Leben von Beschäftigten und AnwohnerInnen wurde gefährdet." Die Endlagerung von Atommüll in Salzgestein müsse grundsätzlich in Frage gestellt werden. Er nahm damit Bezug auf das geplante Endlager in einem Salzstock in Gorleben. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche hatte in einem Interview mit rbb-Inforadio gefordert, Gorleben nicht in Frage zu stellen. Die Asse sei von 1909 bis 1964 als Salzbergwerk genutzt worden und deshalb löchrig. Der Salzstock in Gorleben sei intakt.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD), zu dessen Wahlkreis Salzgitter und Wolfenbüttel zählen, wandte sich am Donnerstag in einer Anzeige in der Braunschweiger Zeitung an die Bürger. Jetzt komme es darauf an, dass sorgfältig, ohne Zeitdruck und ohne politische Vorgaben die Sicherungsmaßnahmen in der Asse untersucht würden. Gabriel forderte die Atomindustrie erneut auf, sich an den Kosten der Sanierung der Asse zu beteiligen. Sollte die Industrie dazu nicht freiwillig bereit sein, müsse es künftig eine "Brennstab-Steuer" auf Uran geben, sagte er am Donnerstag dem Bayerischen Rundfunk. "Es ist nicht einzusehen, warum es auf Erdöl und Erdgas so etwas gibt, auf Uran nicht."

Gabriel rechnet mit noch dramatisch steigenden Kosten für die Sanierung des maroden Atommülllagers. "Mit Sicherheit reden wir über eine Größenordnung von mindestens zwei Milliarden Euro", sagte er im Gespräch mit der Oldenburger "Nordwest-Zeitung" (Freitagsausgabe). Im ehemaligen DDR-Atomendlager Morsleben, "wo im Vergleich zur Asse geradezu geordnete Zustände herrschen", lägen die Sanierungskosten in ähnlicher Höhe. "Bei der Asse sind 850 Millionen Euro eingeplant. Wir prüfen gerade - gemeinsam mit den Menschen in der Region - die Stilllegungsoption", erläutert der Minister.

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