Liberia:Der Pate des Krieges sonnt sich im Exil

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Alle Bemühungen, Charles Taylor vor Gericht zu stellen, sind bislang gescheitert - der ehemalige Präsident von Liberia bleibt auch ohne Immunität unbehelligt.

Von Arne Perras

In Sierra Leone schweigen zwar inzwischen die Waffen, aufgearbeitet sind die Verbrechen des zehnjährigen Bürgerkriegs in Westafrika aber noch lange nicht. Ein Sondertribunal in Freetown soll mit Unterstützung der Vereinten Nationen die Drahtzieher des Konflikts zur Rechenschaft ziehen. Der Amerikaner David Crane, Chefankläger des Tribunals, hat jedoch ein gewaltiges Problem: Keiner der mutmaßlichen Hauptverbrecher sitzt bislang auf der Anklagebank.

Erdrückende Beweislast

Foday Sankoh, Chef der berüchtigten RUF-Rebellen, die Tausende Zivilisten vergewaltigten, ermordeten oder verstümmelten, starb im Krankenhaus, bevor ihm der Prozess gemacht werden konnte. Sam Bockarie, genannt "Mosquito", ein wichtiger Feldkommandeur der RUF, wurde angeblich auf mysteriöse Weise in Liberia ermordet. Und der wichtigste Angeklagte von allen, Liberias Ex-Präsident Charles Taylor, sonnt sich im Exil in Nigeria.

Taylor gilt als Pate des Krieges in Sierra Leone, weil er die RUF-Rebellen aufgerüstet und den Konflikt durch illegalen Diamantenhandel immer wieder angefacht hat. Die Beweislast gegen ihn scheint erdrückend, doch die verfahrene Situation in Taylors Heimatland hat die ehrgeizigen Pläne des Tribunals vorerst zunichte gemacht.

Als das Gericht im Sommer die Anklage gegen Taylor veröffentlichte, verschärfte dieser Vorstoß den Machtkampf in Liberia. Die Rebellen fühlten sich ermuntert zum Sturm auf die Hauptstadt Monrovia, Taylors letzte Bastion. Das Tribunal musste deshalb auch Kritik einstecken. Vor allem afrikanische Beobachter erhoben den Vorwurf, dass die Anklage, politisch betrachtet, zum falschen Zeitpunkt gekommen sei. Sie habe nur neue Gewalt geschürt. Und Chefankläger Crane erlitt eine böse Schlappe, weil Taylor bei einem Auslandsbesuch in Ghana nicht festgenommen und ausgeliefert wurde.

"Ich komme wieder"

Fortan standen alle Vermittler, die sich um Stabilität in Liberia bemühten, vor einem Dilemma: Zwar glaubte kaum einer daran, dass mit einem Präsidenten namens Charles Taylor dauerhafter Friede in Westafrika einkehren könne. Doch zugleich hätte die rasche Festnahme Taylors in Monrovia ein politisches Vakuum erzeugt, das den Kampf zwischen den Taylor-Milizen und den beiden großen Rebellenfraktionen vermutlich noch angeheizt hätte. So kam der Plan des nigerianischen Präsidenten Olusegun Obasanjo ins Spiel, der einen dritten Weg favorisierte: Taylor sollte in Nigeria Zuflucht finden, und alle Kräfte in Liberia, auch die Taylor-Fraktion, sollten mitreden dürfen bei einer Friedenslösung.

Ein Königsweg war dies nicht, denn schon bald stellte sich heraus, dass der gewiefte Taylor von Nigeria aus versuchte, weiterhin die Strippen zu ziehen. "Ich komme wieder", hatte er bei seiner Abreise geschworen. Und Jacques Klein, UN-Beauftragter für Liberia, schimpfte, dass Taylor per Handy vieles fernsteuern könne, was Liberia schade.

Zwar ermahnte Obasanjo daraufhin seinen Schützling halbherzig, sich rauszuhalten. Doch weigert sich Nigeria weiterhin hartnäckig, den Gast aus Liberia an das Tribunal in Freetown auszuliefern. Der nigerianische Staat bezahlt Taylor und seiner Entourage ein luxuriöses Leben, das täglich einige zehntausend Dollar kosten soll. Möglicherweise zögert Obasanjo mit der Auslieferung auch deshalb, weil einer seiner Söhne familiäre Beziehungen zum Taylor-Clan hat. So bleibt dem Chefankläger in Freetown nur frustrierendes Warten - ohne Charles Taylor kann das Tribunal bald ganz einpacken.

© SZ vom 30.12.2003 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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