Lateinamerika:Verschobener Präzedenzfall

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Mehrere zentral- und südamerikanische Länder ringen mit einem Gerichtsurteil zur Homo-Ehe. In Costa Rica verursacht eine im letzten Moment geplatzte Trauung zweier homosexueller Männer Aufsehen.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Eine für den zurückliegenden Samstag geplante Hochzeit in Costa Rica wurde im letzten Moment abgesagt. Das schlägt jetzt große Wellen in dem kleinen zentralamerikanischen Land. Nicht nur, weil die Einladungen längst verschickt und die Feierlichkeiten organisiert waren, sondern weil es hier um einen symbolträchtigen Präzedenzfall geht: Mario Arias, 28, und Roberth Castillo, 25, wollten die erste gleichgeschlechtliche Ehe in der Geschichte Costa Ricas schließen.

Die Homo-Ehe ist dort bislang verboten. Arias und Castillo sind allerdings der Ansicht, dass dieses Verbot seit etwa zwei Wochen nicht mehr gilt. Anfang Januar hatte die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (CIDH) in einem spektakulären Urteil entschieden, dass alle Länder Lateinamerikas die gleichgeschlechtliche Ehe anerkennen müssen. Anlass war eine Rechtsanfrage aus Costa Rica. Die Regierung in San José hatte wissen wollen, ob für homosexuelle Partnerschaften dieselben Eigentumsrechte zu gelten hätten wie für heterosexuelle Paare. "Ja", urteilten die Richter und gingen in ihrer Begründung noch ein ganzes Stück weiter: Es sei grundsätzlich diskriminierend, Gesetze ausschließlich auf heterosexuelle Paare anzuwenden. Homosexuelle müssten Zugang zu allen rechtlich anerkannten Haushaltsformen haben, einschließlich der Ehe.

Die beiden Männer aus Costa Rica hatten ihre symbolträchtige Trauung eigentlich schon geplant

Zwanzig Länder der Region erkennen die Kompetenz dieses Gerichtshofs an, sie sind nun verpflichtet, ihre Gesetze entsprechend anzupassen. Früher oder später jedenfalls. Wo dieser Prozess sich als kompliziert herausstelle, müssten die Rechte von Schwulen und Lesben mittels Übergangsbestimmungen garantiert werden, teilte die CIDH mit. Die Regierung von Costa Ricas Präsident Luis Guillermo Solís bezeichnete den Richterspruch als "historisch" und teilte mit, er werde sofort umgesetzt. Das nahmen Arias und Castillo zum Anlass, ihre Heirat zu planen. Spontan abgesagt wurde sie erst am Vorabend der Trauung. Stunden zuvor hatte der Oberste Notarielle Rat des Landes allen Standesämtern untersagt, Homo-Ehen zu schließen. Die beiden Männer beschlossen deshalb, ihre Hochzeit zu verschieben. "Der Spruch der CIDH öffnet uns aber viele juristische Wege. Wir werden kämpfen", kündigte Mario Arias laut lokalen Medien an. Er kann sich dabei offenbar auch auf die Unterstützung seiner Regierung verlassen. Justizminister Marco Feoli stellte sich auf die Seite der beiden verhinderten Ehepartner.

Der Streit steht beispielhaft für Konfrontationslinien die sich durch den gesamten Kontinent ziehen. Lateinamerika gehört seit geraumer Zeit zu den progressivsten Weltgegenden, was die Rechte von Schwulen und Lesben betrifft - zumal nach dem jüngsten CIDH-Urteil, das die Homo-Ehe als Menschenrecht verankert. Die gleichgeschlechtliche Ehe ist bereits in fünf lateinamerikanischen Ländern zugelassen: Brasilien, Argentinien, Kolumbien, Uruguay sowie in einigen Bundesstaaten Mexikos. Das kontrastiert aber mit der gesellschaftlichen Realität, in der Homophobie ein weit verbreitetes Problem ist. Die in vielen Gegenden immer noch mächtige katholische Kirche predigt ein konservatives Familienbild, von den rapide wachsenden evangelikalen Gemeinden ganz zu schweigen. Allein in Brasilien wurde im vergangenen Jahr nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen jeden Tag eine Person wegen ihrer sexuellen Orientierung getötet. In Mexiko plant die Regierung, die Homo-Ehe bundesweit einzuführen und sieht sich deshalb immer wieder mit Massendemonstrationen konfrontiert. Der Ausgang des Rechtsstreits in Costa Rica könnte eine Signalwirkung für den gesamten Kontinent haben.

© SZ vom 22.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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