Landesparteitag in Lollar:Linke will Rot-Grün in Hessen tolerieren

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Die hessische Linkspartei hat sich auf ihrem Parteitag grundsätzlich dazu bereit erklärt, eine rot-grüne Minderheitsregierung unter SPD-Landeschefin Ypsilanti in Wiesbaden zu tolerieren. Zuvor hatte Parteichef Lafontaine intensiv für das Modell geworben.

Die hessische Linke hat sich mit großer Mehrheit für eine Tolerierung einer rot-grünen Minderheitsregierung ausgesprochen. Die etwa 180 Delegierten des Landesparteitags in Lollar bei Gießen stimmten am Samstag für ein entsprechendes Positionspapier von Landesvorstand und Landtagsfraktion. Gegen den Antrag stimmten zwei Delegierte, elf enthielten sich.

Kämpferisch: Linkspartei-Chef Oskar Lafontaine (Foto: Foto: ddp)

In dem Papier versichert die Linke, sie wolle SPD-Landeschefin Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin mitwählen. Der von der Linken gewollte Politikwechsel werde auch an Personalfragen für ein Kabinett Ypsilantis nicht scheitern, heißt es darin weiter.

In dem Papier hatte der Landsvorstand zudem etwa 30 Positionen der Linkspartei für die weiteren Gespräche festgelegt. Unter anderem spricht sich die Partei für die Einführung der Gemeinschaftsschule, Investitionen in den öffentlichen Beschäftigungssektor, die Abschaffung von Ein-Euro-Jobs sowie die Wiedereinführung fester Ladenöffnungszeiten aus.

Strittig dürften vor allem das Nein der Linken zum Ausbau des Frankfurter Flughafens sowie die Forderung sein, die Privatisierung des Klinikums Gießen-Marburg zurückzunehmen. Die Delegierten stimmten zudem dafür, dass mögliche inhaltliche Vereinbarungen mit SPD und Grünen der Parteibasis in Regionalkonferenzen zur Abstimmung vorgelegt werden müssen.

"Lebensbedingungen verbessern"

Zuvor hatte Linkspartei-Chef Oskar Lafontaine für ein Linksbündnis geworben und Zweifel an der Verlässlichkeit seiner Partei als Kooperationspartner zurückgewiesen. "Für uns ist das verbindlich, was wir den Wählern versprochen haben", sagte Lafontaine.

"Die einzige Frage, die uns beschäftigt, ist, ob es uns gelingt, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern", rief Lafontaine unter dem Applaus der Delegierten. In Hessen sei die von SPD, Grünen und Linken beschlossene Abschaffung der Studiengebühren ein guter Anfang. "Darauf können wir stolz sein." Auch die von Ypsilanti versprochene Schulpolitik, bei der kein Kind zurückgelassen werden solle, decke sich mit einem zentralen Ziel der Linken.

Zu Beginn des Parteitags am Freitag hatte der Vize-Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Bodo Ramelow, eine Ablösung der hessischen CDU-Regierung durch Rot-Grün mit Hilfe der Linken gefordert. Es gehe darum, Mehrheiten im Bundesrat für linke Politik zusammenzutragen. Nur dort ließen sich Projekte wie ein bundeseinheitlicher Mindestlohn durchsetzen, sagte Ramelow.

Befürworter des Linksbündnisses zum Landesvorsitzenden gewählt

Auch mit der Wahl ihres neuen Landesvorsitzenden stellte die Linke eine wichtige Weiche für das Zustandekommen eines rot-rot-grünen Bündnisses in Hessen. Die Delegierten votierten mit 91 Stimmen für den Landtagsabgeordneten Ulrich Wilken und gegen den IG-Metall-Funktionär Ferdinand Hareter, auf den 77 Stimmen entfielen. Wilken hatte in den vergangenen Monaten die Annäherung der hessischen Linken an SPD und Grüne konsequent vorangetrieben. Gegen seinen Konkurrenten Hareter dagegen hatten vor allem die Grünen Bedenken geäußert, da sie ihn als schwierigen Verhandlungspartner einschätzten. Zugleich wurde die Co-Vorsitzende Ulrike Eifler ohne Gegenkandidatin im Amt bestätigt.

Die hessische SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti hatte zuvor von der Linkspartei eine Entscheidung zwischen Protest und "Verantwortung für einen Politikwechsel" gefordert. Beschließe die Linke die Duldung einer rot-grünen Minderheitsregierung, "muss sie beantworten, wie sie das gewährleisten will", sagte sie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Verlässlichkeit bedeute mehr als "nur einen Handschlag". Eine Regierungsübernahme mit Hilfe der Linken sei noch nicht beschlossen.

Münteferings angeblicher Rat

Nach einem Bericht des Focus hat der frühere SPD-Vorsitzende Franz Müntefering als einer der ersten der hessischen SPD geraten, mit der Linkspartei eine förmliche Koalition anzustreben. Müntefering habe im Februar in einem Fax an SPD-Chef Kurt Beck die Konsequenzen der Hessenwahl beschrieben, berichtet das Magazin.

Müntefering empfahl demnach, die hessische SPD-Chefin Andrea Ypsilanti solle sich - wenn schon, denn schon - nicht auf eine von der Linkspartei tolerierte Minderheitsregierung einlassen. Eine echte Regierungsbeteiligung nehme die Linken stärker in Haftung und verringere die Risiken für die SPD, schrieb Müntefering dem Bericht zufolge.

"Genau prüfen"

Der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Dietmar Bartsch, schließt eine rot-rot-grüne Koalition in Hessen nicht grundsätzlich aus. Zwar habe Ypsilanti einer solchen Koalition ebenso eine Absage erteilt wie die Linkspartei in Hessen, sagte Bartsch der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung laut Vorabbericht. Wenn Ypsilanti aber "ihre Meinung eines Tages ändert und - vielleicht nach der Bundestagswahl - mit uns Koalitionsverhandlungen führen will, dann rate ich meiner Partei, das genau zu prüfen", fügte Bartsch hinzu.

Er lobte zugleich die Arbeit der Abgeordneten der Linkspartei im hessischen Landtag, die "seit der Wahl keinen Fehler gemacht" hätten. "Alle sechs haben klar gesagt, dass sie entsprechend unserem einen Wahlziel 'Koch muss weg' Frau Ypsilanti zur Ministerpräsidentin mitwählen würden. Diese Stimmen sind ihr sicher", sagte Bartsch und ergänzte: "Wenn die SPD-Fraktion so zuverlässig gewesen wäre wie die Links-Fraktion, dann wäre Roland Koch schon nicht mehr Ministerpräsident."

Wulff wettert gegen Linke

Unterdessen erhob der stellvertretende CDU-Vorsitzende Christian Wulff schwere Vorwürfe gegen Die Linke - und rückte sie in die Nähe des Terrorismus. "Die Linke flirtet weltweit mit Extremisten der PKK, der ETA, der Hamas, der Hisbollah", sagte der niedersächsische Ministerpräsident der Bild am Sonntag.

Er fürchte um Deutschland, weil er wisse, wohin die Reise mit der Linkspartei gehen würde. Die Partei von Oskar Lafontaine arbeite auch mit der Organisation "Rote Hilfe" zusammen, die Straftäter aus dem linksextremistischen Spektrum unterstütze, sagte Wulff.

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