KZ-Wächter:USA drängen Deutschland zur Aufnahme Demjanjuks

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Der mutmaßliche ukrainische Kriegsverbrecher Demjanjuk soll abgeschoben werden - doch kein Land will ihn haben.

Christiane Kohl

Ein mutmaßlicher Nazi-Täter, den die USA abschieben möchten, hat Diskussionen zwischen deutschen und amerikanischen Behörden ausgelöst. Auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung bestätigte das Auswärtige Amt am Sonntag, dass ein Brief von einer US-Regierungsstelle eingegangen sei.

Ein Militärpass aus dem Zweiten Weltkrieg weist nach Ansicht der US-Justiz den heute 88-jährigen John Demjanjuk als NS-Helfer aus. (Foto: Foto: AP)

Es geht darin um den gebürtigen Ukrainer John Demjanjuk, der Wächter im NS-Vernichtungslager Treblinka gewesen sein soll. Nach jahrelangem Rechtsstreit hatte der Oberste Gerichtshof der USA Ende Mai die Abschiebung des 88-Jährigen verfügt. Bislang konnte der Beschluss jedoch nicht vollzogen werden, da sich kein Land bereiterklärte, den Ukrainer aufzunehmen.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes betonte, es liege "kein formelles Ersuchen zur Aufnahme" von Demjanjuk in Deutschland vor. Allerdings habe man einen Brief des sogenannten "Rosenbaum-Office" bekommen, in welchem über den Inhalt des Abschiebe-Urteils informiert worden sei, wie auch darüber, dass der US-Richter sich für den Mann "eine Rückführung in die Ukraine oder nach Deutschland vorstellen könnte". Wie ein Sprecher des Justizministeriums am Wochenende mitteilte, ist kein Auslieferungsgesuch von deutscher Seite gegen den Mann bekannt - offensichtlich werde hier kein Verfahren gegen ihn geführt.

Als Iwan Demjanjuk wurde er 1920 in Dubowije in der heutigen Ukraine geboren. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging er als Automechaniker in die Vereinigten Staaten, wo er 1958 eingebürgert wurde. Ende der 70er Jahre gab es erste Anschuldigungen, dass er der von Häftlingen so genannte "Iwan der Schreckliche" gewesen sei. Im deutschen Vernichtungslager Treblinka habe er sich mitschuldig am Gastod von mehr als 100.000 Juden gemacht. 1988 wurde Demjanjuk aus diesem Grunde in Israel zum Tode verurteilt, 1993 hob der Oberste Gerichtshof des Landes das Urteil jedoch wieder auf, da nicht hinreichend bewiesen sei, dass Demjanjuk tatsächlich der gefürchtete "Iwan" sei.

So kam der Ukrainer nach sieben Jahren Haft in Israel wieder zurück in die USA, wo in 2001 ein neuer Prozess gegen ihn begann. Jetzt legte das Office of Special Investigation (OSI), eine Spezialstelle der US-Justizbehörden für NS-Recherchen, neue Unterlagen vor. Chef ist der Staatsanwalt Eli Rosenbaum. Den Dokumenten zufolge darf als bewiesen gelten, dass Demjanjuk in mehreren Vernichtungslagern als Wächter diente. 2004 wurde ihm die US-Staatsbürgerschaft aberkannt, 2005 ordnete man erstmals seine Abschiebung an. Nach dem Abschluss der Verfahren informierte Rosenbaum nun die deutschen Behörden - wohl in der Hoffnung, dass sie ihrerseits tätig werden würden.

© SZ vom 16.6.2008/dgr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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