KZ-Vergleich eines Kardinals:"Aus der Hamas-Propaganda"

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Ein KZ-Vergleich mitten aus dem Vatikan erzürnt Israel - und trübt das ohnehin komplizierte Verhältnis zwischen dem Kirchenstaat und Israel wieder einmal.

Stefan Ulrich, Rom

Die verbale Attacke kam nicht von irgendwelchen radikalen Gegnern Israels, sondern mitten aus dem Vatikan. "Schauen wir uns die Lebensbedingungen im Gaza-Streifen an: Das ähnelt immer mehr einem großen Konzentrationslager", sagte Kurienkardinal Renato Martino am Mittwoch in einem Interview.

Kardinal Renator Martino predigt Propaganda der Hamas, sagt ein Sprecher des israelischen Außenministeriums. (Foto: Foto: dpa)

Darin kritisierte der Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden - eine Art Menschenrechtsminister des Vatikans - die israelischen Angriffe. "Krieg und Hass lösen keine Probleme", erklärte Martino. "Das jüngste Beispiel dafür ist der Irakkrieg. Was hat er gebracht? Er hat die Lage nur noch komplizierter gemacht."

Die Antwort der israelischen Regierung auf den KZ-Vergleich erfolgte sofort und ebenso scharf. Die Äußerungen des Kardinals "scheinen direkt der Propaganda der Hamas zu entstammen", sagte ein Sprecher des Außenministeriums. So komme man der Wahrheit und dem Frieden nicht näher. Das ohnehin komplizierte Verhältnis zwischen dem Vatikan und Israel ist wieder einmal getrübt - und das kurz vor einer möglichen Reise Benedikt XVI. ins Heilige Land.

Martino versuchte daher am Donnerstag, dem Streit die Schärfe zu nehmen: "Ich habe nichts gesagt, was als anti-israelisch gedeutet werden könnte." Auch habe er es erst vor kurzem als "schrecklich" verurteilt, dass bei einer Demonstration in Mailand israelische Flaggen verbrannt wurden. In der Sache bleibt der Kardinal aber bei seiner Kritik an Israel.

Papst verurteilt Gewalt

Die Situation im Gaza-Streifen sei entsetzlich. "Man muss sich die Umstände ansehen, in denen die Menschen dort leben. Sie sind von einer Mauer umgeben, die sie kaum überwinden können. Und was in diesen Tagen passiert, das ist schauderhaft." Alles, was durch den Dialog zwischen Palästinensern und Israel erreicht worden sei, werde nun zerstört. "Wenn Israel in Frieden leben will, muss es mit den anderen Frieden schließen."

Die Worte des Kardinals zeigen, wie sehr der Krieg im Gaza-Streifen den Vatikan umtreibt. Auch der Papst lässt keine Gelegenheit aus, Hass und Gewalt anzuprangern und einen Waffenstillstand zu fordern. "Die militärische Option ist keine Lösung", sagte Benedikt XVI. am Donnerstag auf einem Empfang für die beim Heiligen Stuhl akkreditierten Diplomaten. Er verurteilte den Einsatz von Gewalt, "unabhängig davon, von wem sie ausgeht und welche Form sie annimmt".

Auffallend ist, wie sehr sich Benedikt XVI. dabei um Äquidistanz zu Israelis und Palästinensern bemüht. Auch Martino stellt klar, er wolle Israel nicht einseitig kritisieren und verurteile ebenso die Raketenangriffe der Hamas. Israel habe ein Recht auf Selbstverteidigung. "Aber was soll man sagen, wenn so viele Kinder umgebracht und Schulen der Vereinten Nationen bombardiert werden, obwohl man heute über eine Technik verfügt, mit der man sogar eine Ameise auf dem Boden ausmachen kann?", fragte er.

Papstreise scheint nötiger denn je

Die Worte des Kardinals haben Gewicht. Er ist einer der außenpolitisch erfahrensten Männer des Papstes. Er arbeitete in Nicaragua und im Libanon und vertrat den Vatikan lang bei den Vereinten Nationen in New York. Seit 2002 ist er Menschenrechtsminister des Kirchenstaats. Dabei erregte er mit scharfer Kritik nach allen Seiten Aufsehen. So griff er Amnesty International in der Abtreibungsdebatte an, verurteilte die Invasion der USA in den Irak und rügte die Hinrichtung Saddam Husseins.

Die Kritik Martinos an den israelischen Schlägen im Gaza-Streifen wird von anderen Kirchenvertretern geteilt. Der Bischof von Nazareth, Giacinto Boulos Marcuzzo, sagte, die Gewalt in Gaza stelle den Papstbesuch im Heiligen Land in Frage. Dabei hatte der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Fuad Twal, erst zu Weihnachten angekündigt, Benedikt XVI. werde in diesem Mai zu den Heiligen Stätten pilgern.

Der Termin wurde vom Vatikan bisher weder bestätigt noch dementiert. Allerdings laufen Sondierungsgespräche zwischen dem Heiligen Stuhl und Israel. Bilaterale Konflikte wie die Bewertung der Politik Pius XII. während des Holocaust und die Behandlung katholischer Besitztümer in Israel scheinen einem Besuch nicht mehr im Weg zu stehen. Der Krieg im Gaza-Streifen könnte dagegen zu einer Verschiebung führen. Patriarch Twal meint jedoch, die Papstreise sei nun womöglich nötiger denn je.

© SZ vom 09.01.2009/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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