KSK-Soldaten:"Unterbeschäftigt und frustriert"

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Anderthalb Jahre hat ein Bundestagsausschuss den geheimnisumwobenen Einsatz der Bundeswehr-Elitetruppe in Afghanistan untersucht. Das Ergebnis: Die Mission war schlecht vorbereitet und militärisch überflüssig.

Peter Blechschmidt

Der geheimnisumwobene Einsatz der Bundeswehr-Elitetruppe "Kommando Spezialkräfte" (KSK) in Afghanistan war rein politisch motiviert, schlecht vorbereitet und militärisch weitgehend überflüssig. Die von dem ehemaligen Guantanamo-Häftling Murat Kurnaz erhobenen Misshandlungsvorwürfe gegen zwei KSK-Soldaten konnten weder bewiesen noch eindeutig widerlegt werden.

KSK-Soldaten bei einer Bundeswehrübung (Archivbild). In Afghanistan durfte die Elitetruppe zu Erkundungsmissionen ausrücken - gelegentlich zumindest. (Foto: Foto: ddp)

Das ist das Fazit einer anderthalbjährigen Prüfung der Vorgänge im Jahr 2002, zu der sich der Verteidigungsausschuss des Bundestages als Untersuchungsausschuss eingesetzt hatte.

An diesem Donnerstag wollen die Fraktionen erstmals darüber beraten, in welcher Form Parlament und Öffentlichkeit über die bisher geheim gehaltenen Erkenntnisse unterrichtet werden können.

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 hatte die damalige rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder den USA uneingeschränkte Solidarität versprochen. Um dies zu dokumentieren, stellte Deutschland 100 Mann des KSK für die US-geführte Anti-Terror-Operation Enduring Freedom (OEF) zur Verfügung, die um den Jahreswechsel 2001/2002 zunächst auf dem südafghanischen US-Stützpunkt Kandahar eingesetzt waren.

Niemand wusste genau, was das KSK erwartete

Da die Bundeswehr bis dahin keinerlei Erfahrung mit derartigen Einsätzen hatten, wusste niemand in der politischen und in der militärischen Führung, was das KSK erwartete. An der Operation beteiligte Soldaten berichteten im Ausschuss von katastrophalen Zuständen zu Beginn ihrer Mission. Hinzu kam Frustration über Unterforderung. Das KSK ist vor allem für Evakuierungsmaßnahmen in Krisensituationen aufgestellt worden und entsprechend hart ausgebildet.

Stattdessen mussten die KSKler Wachdienst in einem US-Gefangenenlager schieben; gelegentlich durften sie zu Erkundungsmissionen ausrücken. "Die hockten da herum, fühlten sich eigentlich absolut unterbeschäftigt und frustriert", sagte der ehemalige Verteidigungsminister und heutige SPD-Fraktionschef im Bundestag, Peter Struck, vor dem Ausschuss. Im fraglichen Jahr 2002 war Strucks Vorgänger Rudolf Scharping Verteidigungsminister. Seit 2005 war das KSK, soweit bekannt, nicht mehr im Rahmen der OEF in Afghanistan im Einsatz.

Ihren Ärger ertränkten die Soldaten in Alkohol, der offenbar reichlich vorhanden war. Über den im ersten Halbjahr 2002 verantwortlichen Kontingentführer hieß es, er sei oft betrunken gewesen.

In Kandahar trafen die KSK-Soldaten Anfang Januar 2002 auf Murat Kurnaz. Der in Bremen aufgewachsene Türke war am 1. Dezember 2001 in Pakistan festgenommen und als Terrorverdächtiger den Amerikanern übergeben worden, die ihn zunächst nach Kandahar und Anfang Februar 2002 nach Guantanamo brachten. Am 24. August 2006 wurde Kurnaz nach Deutschland entlassen.

Geschlagen und getreten

Nach seiner Rückkehr berichtete Kurnaz, zwei KSK-Soldaten hätten in Kandahar seinen Kopf auf den Boden geschlagen und ihn getreten. Bei den folgenden Ermittlungen der Bundeswehr und der Staatsanwaltschaft Tübingen, die wegen des Heimatstandorts Calw des KSK zuständig ist, identifizierte Kurnaz diese beiden Soldaten aus vorgelegten Fotos.

Die beiden Soldaten ebenso wie viele andere von der Staatsanwaltschaft und dem Ausschuss befragten KSK-Männer bestritten die Misshandlung beziehungsweise gaben an, davon nichts mitbekommen zu haben, wobei der Verdacht entstand, sie könnten ihre Aussagen abgesprochen haben. Die Staatsanwaltschaft Tübingen stellte das Verfahren ein.

Nun streiten die Parteien, in welcher Form die Erkenntnisse öffentlich gemacht werden können. Das Verteidigungsministerium betont, dass alle Vernehmungen des Ausschusses in geheimer Sitzung stattfanden und deshalb Zeugen, die wörtlich und namentlich genannt werden sollten, dazu ihr Einverständnis geben müssten.

Darüber hinaus verlangt das Ministerium vielfältige Streichungen in dem Abschlussbericht. So zum Beispiel die Aussagen von Zeugen, dass Soldaten das amerikanische Gefangenencamp mit einem Nazi-Konzentrationslager verglichen hätten. Und dass andere Zeugen die Verhörmethoden der Amerikaner angeprangert hätten. Vor allem die SPD, die im Herbst 2006 die Einsetzung des Untersuchungsausschusses betrieben hatte, plädiert nun für größtmögliche Geheimhaltung.

© SZ vom 23.04.2008/dmo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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