Kritik an Gewalt in Tibet:Weltweite Proteste gegen blutige Niederschlagung

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Weltweit haben Hunderte Menschen gegen das gewaltsame Vorgehen Chinas in Tibet protestiert. In Zürich, Sydney und Neu-Delhi versuchten Demonstranten das chinesische Konsulat zu stürmen. Peking kündigte unterdessen an, weiterhin barsch gegen die Demonstranten in Tibet vorgehen zu wollen.

China will offenbar ungeachtet der internationalen Proteste gegen die blutige Niederschlagung der Proteste in Tibet weiter mit Härte reagieren. Gegen die Demonstranten werde barsch vorgegangen, erklärte der von Peking bestellte Vorsitzende der Regierung der autonomen Region Tibet, Champa Phuntsok, am Samstag. Touristen wurden angewiesen, Lhasa zu verlassen.

Weltweit kam es zu Protesten - unter anderem auch in Neu Delhi. (Foto: Foto: AFP)

Am Samstag haben weltweit Hunderte Menschen gegen die gewaltsame Niederschlagung der Proteste der Tibeter demonstriert. Vor dem chinesischen Konsulat in Zürich kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei, als einige Demonstranten das Gebäude stürmen wollten. Wie die Polizei mitteilte, wurde auch Tränengas eingesetzt.

Auch in Nepal, Indien und China gab es Proteste. In Neu-Delhi wurden etwa 50 Demonstranten bei dem Versuch festgenommen, die chinesische Botschaft zu stürmen. Den Angaben zufolge waren unter den Festgenommenen auch Frauen und Mönche. In der westchinesischen Stadt Xiahe ging die Polizei mit Tränengas gegen Sympathisanten der demonstrierenden Mönche in Tibet vor. Augenzeugen zufolge zogen Hunderte Menschen vom Kloster Labrang nach Xiahe, die Gruppe griff Verwaltungsgebäude an. Nach Angaben der in London ansässigen Gruppe Free Tibet wurden 20 Menschen festgenommen.

Polizei geht mit Schlagstöcken und Pfefferspray gegen Demonstranten vor

In Australien setzte die Polizei Medienberichten zufolge Schlagstöcke und Pfefferspray gegen Demonstranten vor dem chinesischen Konsulat in Sydney ein. Sieben Demonstranten wurden festgenommen. Auch in Berlin und anderen Städten kam es zu Protesten.

In Nepal traten Exiltibeter in einen Hungerstreik. Tibeter im nordindischen Dharamshala starteten wieder einen "Friedensmarsch" nach Tibet, mit dem sie vor den Olympischen Spielen in Peking die Aufmerksamkeit der Welt auf das Schicksal der Tibeter lenken wollen. Die indische Polizei hatte einen ähnlichen Versuch vor zwei Tagen unterbunden und 102 Tibeter festgenommen.

Am Samstag wurde bekannt, dass bei den schweren Ausschreitungen in der tibetischen Haupstadt Lhasa möglicherweise bis zu 100 Menschen getötet wurden. Diese Zahl nannte die tibetische Exilregierung, die in der nordindischen Stadt Dharamsala ihren Sitz hat. Sie habe "unbestätigte Berichte" von bis zu 100 Toten erhalten.

Das deckt sich ungefähr mit Informationen des US-Rundfunksenders Radio Free Asia. Dieser hatte unter Berufung auf Augenzeugen von rund 80 Toten berichtet.

Sicher bestätigt sind nach Angaben der Exilregierung des Dalai Lama bis jetzt 30 Tote. Diese Information basiere auf Anrufen von Tibetern aus Lhasa. Auch sei das Kriegsrecht in Tibets Hauptstadt Lhasa verhängt worden, hieß es in der am Samstag veröffentlichten Erklärung.

Xinhua: Demonstranten töteten Menschen

Die chinesische Regierung hat eingeräumt, dass im Zuge der antichinesischen Proteste in Tibet Menschen ums Leben gekommen sind. Nach Berichten der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua wurden zehn Menschen getötet. Dabei habe es sich aber nicht um Demonstranten gehandelt: Nach Xinhua-Darstellung hätten vielmehr die Demonstranten Menschen angegriffen und Schulen und Geschäfte in Brand gesteckt. Mehrere Ladenbesitzer seien dabei verbrannt.

Die Lage in Lhasa war am Samstag angespannt. Soldaten hatten Straßensperren errichtet. Panzer waren aufgefahren, wie Augenzeugen berichteten. Das Mobilfunknetz in der Hauptstadt der autonomen Region Tibet wurde offenbar abgeschaltet - möglicherweise, um zu verhindern, dass neue Proteste organisiert werden. Nach Angaben der BBC gab es noch vereinzelt Zusammenstöße.

Demonstranten sollen sich bis Montag ergeben

Tibets Sicherheitsbehörden setzten den Teilnehmern an den Ausschreitungen eine Frist, um sich zu ergeben. Wer sich bis Montag um Mitternacht stelle, könne mit Strafminderung und "Nachsicht" rechnen. Die tibetische Regierung bestritt, dass Sicherheitskräfte das Feuer auf die Demonstranten eröffnet haben.

China beschuldigt das im Exil lebende geistliche Oberhaupt der Tibeter, den Dalai Lama, für die Unruhen verantwortlich zu sein. Ein Sprecher des Dalai Lama wies dies zurück. Das geistige und früher auch politische Oberhaupt der Tibeter war 1959 nach einem gescheiterten Aufstand nach Indien geflüchtet und führt seitdem dort die Exilregierung.

Die UN-Menschenrechtskommissarin Louise Arbour zeigte sich besorgt über die Lage in Tibet. Sie rief die chinesische Regierung in einer Erklärung auf, den Demonstranten ihr Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit zu gewähren und keine "exzessive Gewalt" anzuwenden. Die Festgenommenen sollten gut und nach internationalen Standards behandelt werden.

Eine Sprecherin von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erklärte, dieser verfolge die Situation aufmerksam. "Wir rufen alle Beteiligten auf, Konfrontation und Gewalt zu vermeiden", sagte sie.

Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte China zum Dialog mit dem religiösen Führer der Tibeter, dem Dalai Lama, auf.

IOC-Präsident gegen Boykott der Olympischen Spiele

Unterdessen hat sich IOC-Präsident Jacques Rogge gegen einen Boykott der Olympischen Sommerspiele in Peking ausgesprochen. Ein Boykott würde nichts ändern und nur die Athleten bestrafen, erklärte Rogge am Samstag. Zuvor hatte der IOC-Präsident jeden Kommentar zu den Ereignissen in Tibet abgelehnt. Es sei nicht die Aufgabe des Komitees, die Menschenrechtssituation dort zu verbessern, sagte er am Freitag in Puerto Rico.

Hollywoodschauspieler Richard Gere, Buddhist und Freund des Dalai Lama, ist von der jüngsten Welle der Gewalt in Tibet nicht überrascht. Die Menschen in Tibet würden seit fast 60 Jahren "brutal unterdrückt", sagte er dem US-Fernsehsender CNN. "Wenn man ein Volk unterdrückt, wird es explodieren. Das ganze Volk wird explodieren."

© AFP/AP/dpa/Reuters/maru/dmo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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