Krise in Bangkok:"Thailand kommt aus dem Dilemma nicht heraus"

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Die Regierungspartei wird verboten, die Proteste ebben ab, doch wie geht es weiter? Thailand-Kenner Marco Bünte über die Zukunft des Landes und die Rolle des Königs.

G. Babayigit

sueddeutsche.de: Das Verfassungsgericht hat geurteilt. Die Regierungspartei PPP, gegen die die Menschen an den Flughäfen so energisch protestiert haben, ist verboten. Wird es nun wieder ruhiger in Thailand?

König Bhumibol und seine Königin Sirikit: "Ich erwarte aber, dass er beide Parteien zur Zurückhaltung aufruft, um die Auseinandersetzung wieder in geordnete Bahnen zu lenken." (Foto: Foto: Reuters)

Marco Bünte: Die Oppositionspartei PAD hat ihr Ziel mit dem Verbot der Regierungspartei erreicht. Diese Zuspitzung, die wir in den letzten Wochen erlebt haben - die Demonstrationen, die Besetzung des Flughafens - müsste zunächst vorbei sein. Doch auch wenn es nun zu einer Deeskalation kommt: An der politischen Situation, die ja der Grund für die Zerwürfnisse im Land ist, ändert die Entscheidung des Gerichts recht wenig.

sueddeutsche.de: Muss man sich eingedenk der Ankündigung der PPP, einfach eine neue Partei zu gründen, auf weitere Konflikte gefasst machen?

Bünte: Egal, ob nun Neuwahlen ausgerufen werden oder ob die Mitglieder der nun verbotenen PPP eine neue Partei gründen und einen neuen Premierminister ohne Neuwahlen stellen wollen, das Problem ist nicht gelöst. Ohne eine Verfassungsänderung kommt das Land aus dem Dilemma nicht heraus. Ein Dilemma übrigens, das schon in den neunziger Jahren existierte, aber mit der Person Thaksin noch einmal verstärkt wurde, weil er den Hass der Mittelklasse und eines Teils der Elite auf sich zieht.

sueddeutsche.de: Die Entscheidung des Verfassungsgerichts erfreut nicht nur die Regierungsgegner, sie enttäuscht auch die Anhänger der PPP. Sind von den Regierungsanhängern jetzt massive Proteste zu befürchten?

Bünte: Aus dem Ausland finanziert Thaksin zwar seine Anhängerschaft, aber bis dato hat sie - abgesehen von einigen kleineren Bombenanschlägen - noch nicht unter Beweis gestellt, dass sie zu größeren Aktionen fähig oder willens ist. Zu einer Eskalation könnte es am 14. Dezember kommen. Thaksin hat angekündigt, per Videokonferenz zu seinen Anhängern zu sprechen. Trotzdem: Von einem drohenden Bürgerkrieg zu sprechen, halte ich für vermessen. Es handelt sich immer noch um eine Auseinandersetzung innerhalb der politischen Elite, die es eben schafft, sehr viele Leute zu mobilisieren.

sueddeutsche.de: Die Oppositionspartei PAD fordert ein Parlament, in dem nur 30 Prozent der Abgeordneten gewählt und die restlichen 70 Prozent ernannt werden sollen, und begründet das mit der Anfälligkeit des demokratischen Systems für Korruption. Hat diese Tendenz zu undemokratischen Maßnahmen Tradition in Thailand?

Bünte: Ja. Schon in der Verfassung von 1997, die sonst international als Vorzeigeobjekt galt wegen der Etablierung von Verfassungsgericht und Menschenrechten, gibt es undemokratische Regelungen. Es wurde beispielsweise das passive Wahlrecht eingeschränkt. Es durften nur Abgeordnete mit Universitätsabschluss gewählt werden. Damit wollte man damals schon eine ganz bestimmte Klientel als Abgeordnete ausschließen - diejenigen Politiker, die von der Landbevölkerung gewählt wurden.

sueddeutsche.de: Dann hat sich trotzdem Thaksin durchgesetzt.

Bünte: Die Verfassung bedeutete auch eine Stärkung der Exekutive. Dementsprechend schwer war Thaksin dann zu beseitigen. Ob der aktuelle Vorschlag der PAD allerdings Eingang ins Gesetz findet, ist aber auszuschließen. Die mehrheitlich von der Landbevölkerung gewählten Abgeordneten werden natürlich nicht dafür stimmen.

sueddeutsche.de: Am Freitag feiert die unumstrittene Autorität des Landes, König Bhumibol, seinen Geburtstag. Er wird sich mit seiner traditionellen Geburstagsansprache zu Wort melden, nachdem er lange geschwiegen hat. Was ist davon zu erwarten?

Bünte: Manche werden sagen: "Endlich meldet er sich zu Wort." Das stimmt einerseits, andererseits bedeutet das aber auch, dass ein über der Verfassung stehendes Staatsorgan sich einmischt. Auch der Putsch 2006, hinter dem er und die Königstreuen vermutet werden, war ein Mittel, um die demokratischen Prozesse auszuhebeln. Die Stellung des Königs ist mitverantwortlich dafür, dass die demokratischen Prozesse in Thailand so schwach institutionalisiert sind.

sueddeutsche.de: Wie wird sich König Bhumibol dann äußern?

Bünte: Das lässt sich schwer voraussagen. Auch das Königshaus ist gespalten. Während Bhumibols Sohn, der Thronfolger, als Thaksin-nah gilt, hat die Königin aus ihrer Unterstützung für die PAD nie einen Hehl gemacht. Insofern ist unklar, ob der König seinen weitreichenden Einfluss geltend machen wird. Ich erwarte aber, dass er beide Parteien zur Zurückhaltung aufruft, um die Auseinandersetzung wieder in geordnete Bahnen zu lenken.

sueddeutsche.de: Selbst sein langes Schweigen zu den extremen Maßnahmen der Regierungsgegner war ein Statement.

Bünte: Ja, genauso wie die Unterstützung der Königin für die Gegner der Regierungspartei. Sie hat nicht nur finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt, sie hat auch jene Opfer unter den Demonstrierenden besucht, die bei einer Polizeiaktion verletzt wurden. Damit hat sie eindeutig für eine Seite Partei ergriffen. Das hat auch mit dazu geführt, dass sich die Opposition legitimiert fühlte - sie beruft sich mit ihrer gelben Farbe ja auf das Königtum.

sueddeutsche.de: Auch das Militär ist in Thailand ein politischer Akteur. Hat das Gerichtsurteil die Putschgefahr gebannt?

Bünte: Das Militär hat immer betont, dass es keinen Putsch in Erwägung zieht. Erstens sind seine Interessen von der aktuellen Konfrontation nicht berührt, zweitens sieht es ein, dass ein Putsch an den Mehrheitsverhältnissen im Land und an der Zerrissenheit nichts ändert. 2006 hatte das Militär das Ziel, Thaksin zu entmachten. Heute ist die Gefahr eines Putsches erst einmal gebannt.

Marco Bünte ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am GIGA Institut für Asien-Studien (German Institute of Global and Area Studies) und Mitherausgeber der Zeitschrift Südostasien aktuell .

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