Krippenplätze:Das Feilschen geht weiter

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Nächste Runde im Streit über die Kinderbetreuung: Länder und Kommunen müssen nun die Finanzierung regeln.

Felix Berth

Irgendwo in Berlin, so kann man sich das vielleicht vorstellen, steht ein größerer Tresor, der 2,15 Milliarden Euro enthält. Dieses Geld des Bundesfinanzministeriums ist für die 16 Bundesländer bestimmt; innerhalb der nächsten sechs Jahre sollen sie damit den Bau neuer Kinderkrippen finanzieren.

Krippenplätze: Länder und Kommunen verhandeln über die Finanzierung der Kinderbetreuung. (Foto: Foto: ddp)

Theoretisch dürfen sie die ersten Raten dem Tresor bereits im Januar 2008 entnehmen, und schon heute kann sich jeder Landes-Finanzminister ausrechnen, welche Investitions-Zuschüsse er wann erhält: Bayern bekommt im ersten Jahr 60 Millionen, Nordrhein-Westfalen 84, Baden-Württemberg 52 Millionen und Niedersachsen 37.

Das jedenfalls sieht die Krippen-Vereinbarung vor, die der Bundestag am Donnerstag in erster Lesung behandelten, nachdem Bund und Länder sich vor wenigen Wochen auf die Eckdaten geeinigt hatten.

Doch die Existenz dieses Tresors, in der Behördensprache "Sondervermögen des Bundes Kinderbetreuungsausbau" genannt, führt bisher nicht zu erhöhter Geschäftigkeit der Länderpolitiker. Sie scheinen sich dem Sondervermögen eher mit besonderer Vorsicht zu nähern, was wohl auch daran liegt, dass sie zwar große Summen in Berlin abholen können, doch gleichzeitig fürchten, viel Geld ausgeben zu müssen.

Wer bestellt, bezahlt

Ihre Sorge ist begründet. Denn in allen Bundesländern gilt inzwischen das "Konnexitätsprinzip". Demnach prägt seit einigen Jahren ein simpler Kernsatz die Finanzbeziehungen von Ländern und Kommunen: "Wer bestellt, bezahlt." Dies soll die Kommunen vor stetig wachsenden Anforderungen zahlungsunwilliger Ministerien schützen - und droht nun den Ausbau der Kinderbetreuung zu verzögern.

Denn jeder Länderminister kann sich ausrechnen, was geschähe, wenn er die Kommunen per Gesetz zum Ausbau der Betreuung drängeln würde: Die Bürgermeister könnten sich entspannt zurücklehnen, auf das Konnexitätsprinzip verweisen - und vom Land mehr Geld verlangen.

Die Position der Kommunen ist dabei durchaus komfortabel. Sie haben den Krippen-Kompromiss zwischen Bund und Ländern im September nicht unterzeichnet und waren - was sie in anderen Fällen gern monieren - an den entscheidenden Verhandlungen gar nicht beteiligt. Also vermeiden Städte und Gemeinden derzeit, sich auf Ziele oder eigene Finanzbeiträge festzulegen und warten ab.

Wenn sie sich öffentlich äußern, fordern sie - wie der Ulmer Oberbürgermeister Ivo Gönner - eine landesgesetzliche Regelung, weil ihnen dank Konnexitätsprinzip gar nichts Besseres passieren könnte. Oder sie verlangen - wie der Präsident des Deutschen Städtetags, Christian Ude, - mehr Engagement der Länder: Bisher sei deren Haltung in der Finanzfrage "viel zu vage", klagte Münchens Oberbürgermeister kürzlich; die Länder sollten bitte bald erklären, wie viel Geld sie zuschießen wollten.

Verhandlungsrunden gehen weiter

Die Länder wiederum handeln ebenfalls nach dem Mikado-Prinzip ("Wer sich als Erster bewegt, hat verloren"). Sie vermeiden frühe Festlegungen; sofern Gemeinden - wie jüngst in Baden-Württemberg - Forderungen stellen, signalisieren Landespolitiker allenfalls Kompromissbereitschaft: Man sei zu einer "fairen Aufgaben- und Kostenverteilung" bereit, sagte Ministerpräsident Günther Oettinger bei einer Versammlung des dortigen Gemeindetags letzte Woche. Details oder Beträge nannte er nicht.

Also gehen die Verhandlungsrunden weiter - diesmal ohne den Bund, doch sechzehnfach in den Ländern. Ein wenig beschleunigt wird das Verfahren dort, wo Landtagswahlen bevorstehen: In Niedersachsen, Bayern und Hessen feilscht man bereits; dort hoffen viele der Beteiligten auf eine Einigung vor der Hochphase der Wahlkämpfe Anfang 2008.

Die Startpositionen liegen freilich weit auseinander. In Bayern zum Beispiel kalkuliert der Städtetag, dass knapp 80.000 Krippenplätze fehlen; jeder einzelne mache eine Investition von ungefähr 35.000 Euro nötig. Das Sozialministerium rechnet damit, dass Anfang 2008 etwa 60.000 Betreuungsplätze fehlen, die überdies weit billiger seien: Ein Teil entstehe durch den Ausbau der Tagespflege, wofür keine Investitionen nötig seien.

Mammutaufgabe

Ein anderer Teil seien Plätze in Kitas, die auch kleinere Kinder aufnehmen - aus Sicht des Ministeriums sind die genannten 35.000 Euro pro Platz also dramatisch überzeichnet. Die Suche nach dem Kompromiss dürfte in Bayern wie in den anderen Bundesländern nicht einfach werden.

Wie schnell der Ausbau erfolgen wird, lässt sich also schwer prognostizieren. Thomas Rauschenbach, Direktor des Deutschen Jugendinstituts, warnt vor einer Wiederholung des Gezerres der letzten Jahre: "Der Ausbau muss rasch beginnen, weil die Mammutaufgabe sonst nicht - wie vereinbart - bis zum Jahr 2013 zu schaffen ist."

Wie langsam das Projekt derzeit vorankommt, lässt sich in Rheinland-Pfalz studieren. Obwohl das Land sich stärker als die meisten anderen engagiert, stieg die Quote der betreuten Kleinkinder zwischen März 2006 und März 2007 von 8,8nur auf 11,3 Prozent. Wenn dieses Tempo konstant bleibt, erreicht das Land das Ausbauziel von 35 Prozent im Jahr 2018. Ursula von der Leyen wird dann ihren sechzigsten Geburtstag feiern - doch möglicherweise käme ihr ein so später Erfolg als Geburtstagsgeschenk ein wenig unpassend vor.

© SZ vom 12.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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