Krieg im Kongo:Die Welt schaut zu

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Zehntausende Menschen sind im Kongo auf der Flucht vor Tutsi-Rebellen und der Armee. Doch von dem neuen Krieg profitieren so viele, dass es wenig Interesse gibt, ihn zu beenden.

Arne Perras

Es ist, als hätten die grünen Hügel von Kivu Zehntausende Menschen verschluckt. In Todesangst sind sie davongelaufen, um den Gefechten zwischen den Tutsi-Rebellen und der kongolesischen Armee zu entkommen. Doch nun wissen die internationalen Helfer nicht, wo all die Flüchtlinge stecken. Ohne Medizin und Nahrung können die Vertriebenen nicht lange überleben. Das ganze Ausmaß des Flüchtlingsdramas im Ostkongo lässt sich noch gar nicht überblicken. Ein großer Krieg ist wieder ausgebrochen, der Hunderttausende Menschen ins Verderben stürzt. Und die Weltgemeinschaft wirkt überrumpelt und hilflos.

Erinnerung an die Massaker von 1994

Der Konflikt ist so explosiv, dass er weiter eskalieren kann - bis hin zu Massakern, die ans Jahr 1994 erinnern, als das kleine Nachbarland Ruanda in einem Völkermord versank. Dieser Genozid, bei dem 800.000 Tutsis und moderate Hutus ums Leben kamen, hatte damals auch den Kongo aus der Balance geworfen.

Die Explosion in Ruanda war die Initialzündung für eine Kette kriegerischer Auseinandersetzungen in Zentralafrika, die bis heute nicht überwunden sind. Auch die Rebellion des Tutsi-Generals Laurent Nkunda, der nun mit seinen Truppen vor Goma steht, passt ins Bild. Ethnische Spannungen und die Angst vor Vernichtung haben seinen Aufstand mit befördert. Nkunda bezeichnet seine Miliz als Schutzmacht der kongolesischen Tutsis, die sich gegen ihr Feinde, radikale Hutus, erwehren müssten.

Die ruandischen Völkermörder von einst flüchteten 1994 über die Grenze in den Kongo, und einige leben dort noch immer. Sie sind straff organisiert und haben eine schlagkräftige Miliz, die FDLR, aufgebaut. Sie lebt vom Verkauf von kongolesischen Bodenschätzen, und sie wird von der kongolesischen Armee genutzt, um gegen Nkundas Rebellen zu kämpfen. Das ist - stark vereinfacht - die Frontstellung in den Kivu-Provinzen, die nur schwer aufzulösen ist.

Doch die Konfrontation zwischen ruandischen Hutus und kongolesischen Tutsis ist nicht die einzige Wurzel des Konflikts. Die Angst vor der Vernichtung durch den Gegner mag groß sein, doch mindestens genauso wichtig ist der Kampf um die Bodenschätze, die den Kongo reich machen. Jede Miliz, die im Kongo kämpft, finanziert sich über den Verkauf von Rohstoffen wie zum Beispiel Coltan, das weltweit die Handy-Industrie braucht. Deshalb lässt sich der Krieg im Kongo nicht alleine als afrikanischer Konflikt beschreiben, in ihm blitzt auch die tödliche Falle der Globalisierung auf, weil der Weltmarkt nach all diesen Stoffen aus dem Kongo schreit, ob nun Blut daran klebt oder nicht. Es fehlen wirksame Kontrollen. Und das Interesse, sie aufzubauen, ist in den Reihen der Industrienationen gering.

Wenig Hilfe von den UN

Nkundas Kriegstreiberei ist scharf zu verurteilen. Doch wahr ist auch, dass die Regierung in Kinshasa und die UN zu wenig dafür getan haben, eine politische Lösung für die Probleme zu befördern. Die Offensive Nkundas hat Präsident Joseph Kabila erheblich geschwächt, dessen Armee ist geschlagen, und die Soldaten haben auf dem Rückzug auch noch Häuser geplündert und Frauen vergewaltigt. Anstatt seine Bürger zu schützen und Ordnung zu schaffen, tut der Staat Kabilas das Gegenteil. Dies wirft ein schlechtes Licht auf seine Regierung und nährt Zweifel an seiner Urteilskraft. Stets hat der Präsident versucht, Nkunda militärisch zu besiegen. Dies rächt sich jetzt.

Doch auch die Vereinten Nationen sind nach den Attacken Nkundas angeschlagen. Sie können ihr Mandat nicht erfüllen und lassen sich von einer disziplinlosen Armee einspannen, die selbst Angst und Schrecken verbreitet. Die Lage ist verfahren, auch die Minister aus Großbritannien und Frankreich, die nun hastig in den Kongo gereist sind, werden keine schnelle politische Lösung für die Krise finden. Zu lange schon schwelt die Konfrontation im Osten des Kongo - und zu viele Kräfte profitieren vom Krieg.

© SZ vom 03.11.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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