Krieg im Gaza-Streifen:Grenze der Humanität

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Ägypten schottet sich ab: Die Angst vor notleidenden Palästinensern und Protesten im eigenen Land ist groß - warum in den Gaza-Streifen derzeit kaum Hilfe gelangt.

Tomas Avenarius

Israel führt Krieg - und Ägypten schottet sich ab. Der Nordsinai hat sich seit Kriegsbeginn in eine Hochsicherheitszone verwandelt: An allen Hauptstraßen stehen Checkpunkte, an manchen mit Sandsackstellungen.

"Es gibt keinen Grund, diese Grenze geschlossen zu halten": Ägyptische Bürger und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen protestieren am geschlossenen Grenztor in Rafah. (Foto: Foto: Reuters)

Mit jedem Dutzend weiterer Kilometer in Richtung Grenze steigt die Zahl der Kontrollen. Nahe der nur 14 Kilometer langen Grenze zum Gaza-Streifen ist jeder einzelne Feldweg von Bereitschaftspolizei abgeriegelt worden. Wer Umwege fährt, wird schnell zurückgeschickt: Hier kennt jeder Bauer die Telefonnummer der Staatssicherheit.

In Rafah selbst, der von der ägyptisch-palästinensischen Grenze geteilten Stadt, sind derweil fast mehr Polizisten auf den Straßen als Einwohner. Direkt an der Grenze findet sich Militär, wenn auch der ägyptisch-israelische Friedensvertrag die Zahl ägyptischer Soldaten auf dem Sinai auf ein Minimum begrenzt.

Kairo fürchtet, dass notleidende Palästinenser die Grenze stürmen könnten. Schon einmal haben sie, geführt von Hamas, die schwach befestigte Linie überrannt: Im Januar 2008 standen Ägyptens Grenzpolizisten Hunderttausende Palästinenser gegenüber. Damals gab es kaum Gewalt.

Heute könnte dies angesichts der Verzweiflung der bombardierten Menschen anders sein. Ebenso viel Angst haben die Machthaber in Kairo vor den eigenen Bürgern: Je länger das Sterben in Gaza andauert, desto wahrscheinlicher werden Proteste der Bevölkerung in Rafah und in Kairo. Auch darum hat Ägypten die Grenze so hermetisch abriegelt. Selbst humanitäre Hilfe für Gaza beschränkt sich auf das Minimum.

Ali Al-Suadi ist verzweifelt: "Es gibt keinen Grund, diese Grenze geschlossen zu halten." Der Freiwillige hat sein Baugeschäft im Golfstaat Qatar im Stich gelassen, um Hilfsgüter nach Gaza zu bringen. Aber das Grenztor in Rafah ist zu. Auf den Lastwagen der "Aid Al-Thany"- Hilfeorganisation stapeln sich unnütz Speiseöl und Lebensmittel. Al-Suadi begreift nicht, dass die Menschen leiden und hungern, die Zöllner das Tor zu den Palästinensern aber verriegeln. Er sagt: "Wenn Israel schreiendes Unrecht begeht, sollte Ägypten nicht dasselbe tun. Ägypten ist ein arabisches Land."

Kairos offizielle Rechtfertigung: Außer Medikamenten darf an der ägyptisch-palästinensischen Grenze nichts nach Gaza, außer Verletzten darf niemand aus Gaza heraus. Obwohl die 1,5 Millionen Palästinenser kaum noch Lebensmittel haben, müssen Nahrung und Zelte einen 200 Kilometer entfernten israelischen Grenzübergang passieren. Das sehen laut Kairo Verträge zwischen Israel und Ägypten vor. Auskunft gibt niemand auf ägyptischer Seite, etwa, ob die arabischen Hilfsgüter von den Israelis überhaupt durchgelassen würden.

So steht der Qatari neben Lastwagen mit der Hilfe aus Saudi-Arabien, Jordanien, Libyen, Iran und Algerien. Er fragt: "Wo ist die westliche Hilfe, wo sind die westlichen Hilfeorganisationen?" Sie fehlen. Nur die Russen sind da und die Griechen. Moskaus Technisches Hilfswerk hat Lastwagen voller Decken und Zelte geschickt, aber sie werden zurückgewiesen. Aus Griechenland kamen sechs "Ärzte für den Frieden". "Wir haben alles dabei", sagt der Chirurg Kostas Konstantinidis, "Wir können sofort operieren. Wir wollen da rein." Aber auch er und seine Kollegen bleiben ausgesperrt.

© SZ vom 05.01.2009/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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