Koydls kleines Lexikon:Das gemeinhin Grüne

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Warum es normal ist, dass grün so vielfältig ist, die Obergrenze bei yotta erreicht ist und was Led Zeppelin und ein lead balloon gemeinsam haben - der etymologische Wochenrückblick.

Wolfgang Koydl

Werden die Grünen bei Wahlen jemals wieder auf einen grünen Zweig kommen nach ihrem jüngsten Parteitag? Wann wird ihnen der Wähler wieder grün sein? Gewiss, grün sprießt die Hoffnung und sie mögen ja auf die grüne Seite der Linkspartei gerutscht sein. Aber andererseits haben sie sich realpolitisch als Grünschnäbel, als grüne Jungens (und Mädels) erwiesen.

Sprachlich ist manches im grünen Bereich (Foto: Foto: ddp)

Die paar Beispiele zeigen, welch vielfältige Rolle das Wörtchen grün in unserer Sprache spielt. Grün ist der Neid und die Unerfahrenheit, manches ist im grünen Bereich, man kann etwas am grünen Tisch entscheiden oder jemanden grün und blau schlagen. Dass grün diese Bedeutungsvielfalt hat, kommt nicht von ungefähr, schließlich ist sein Stammvater das althochdeutsche gruoen, das wachsen bedeutete und im englischen Verb grow überlebt hat.

Was in der Natur wächst, ist gemeinhin grün, und ein Kraut, dem man beim Wachsen praktisch zusehen kann, ist das Gras - wie jeder Gartenbesitzer bestätigen kann, wenn er schon wieder den Rasenmäher anwerfen muss. Und auch das Gras ist - übrigens ebenso wie die Granne beim Getreide - dem Stammwort gruoen entsprossen.

Um schwarzes Gras geht es bei unserem nächsten Beispiel. Dies nämlich ist die wörtliche Übersetzung des Namens der ukrainischen Stadt Tschernobyl, wo der Unglücksreaktor von einem neuen Betonsarkophag umschlossen werden soll. Mit tschornije plus bilija freilich bezeichnet man im Ukrainischen nicht irgendwelche geschwärzten Halme, sondern konkret die Heilpflanze Beifuß.

Die Farbe Schwarz steckt auch im Namen des alten und neuen griechischen Ministerpräsidenten Kostas Karamanlis. Allerdings nicht das griechische Wort (das wäre mavro), sondern das alte türkische kara. Die Wüste Karakum ist bekannt für ihren schwarzen Sand, das Karakul-Schaf für seine schwarze Wolle, und der Volksstamm der Karamanlilar ursprünglich vermutlich für seinen Reichtum an Fettschwanz-Schafen.

Ursprünglich kommen die Karamans aus dem südlichen Zentralanatolien, unweit der türkischen Provinzhauptstadt, die noch heute den Namen Karaman trägt. Es waren orthodoxe Christen, die Türkisch sprachen, die diese Sprache aber nicht mit arabischen Schriftzeichen schrieben sondern mit griechischen Lettern. Ob es sich um christliche Türken handelte oder um türkisierte Griechen ist zwischen Griechen und Türken bis heute umstritten.

Sicher ist, dass die Karamanlilar im Zuge des berüchtigten Bevölkerungsaustausches zwischen beiden Staaten nach dem ersten Weltkrieg vertrieben wurden und sich in Griechenland eine neue Heimat suchen mussten. Mit Erfolg: Denn die Karamanlis sind heute, neben den Papandreous, eine der beiden führenden politischen Familien im Land.

Bleiben wir noch ein wenig im östlichen Mittelmeer und reden wir von Lastwagen. Nein, nicht von jenen in allen Regenbogenfarben angestrichenen türkischen Überlandlastern, sondern eher von hypermodernen Gigalinern, welche die Bundesregierung nicht auf deutschen Autobahnen sehen will. Der Liner teilt seine Größenbezeichnung giga mit einer Reihe von Maßeinheiten wie dem Watt, dem Hertz oder dem Byte.

Pate stand das griechische Wort für einen Riesen - gigas -, wie er im Deutschen Giganten weiterlebt. Dass Giga zur Maßeinheit wurde, verdankt es indirekt Deutschland. Es war in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts, als der deutsche Vertreter in der Internationalen Elektrotechnischen Kommission giga als Einheit für eintausend Millionen (eine eins mit neun Nullen) vorschlug.

Inspiriert wurde er dabei, so will es jedenfalls die Legende wissen, vom Gingganz aus Christian Morgensterns "Galgenliedern". Giga folgt im Internationalen Einheitensystem auf mega, wie in mega-out, und kommt vor tera (10 hoch 12), das wir von Computern mit ein paar Terabyte Kapazität kennen. Die Obergrenze ist erreicht bei yotta - einer eins mit 24 Nullen. Echt yotta-cool.

Für wie cool die Nachricht aufgenommen wird, dass sich die Hardrock-Gruppe Led Zeppelin nach vieljähriger Pause wieder zusammengefunden hat, hängt vom jeweiligen Betrachter ab. Die Vorläufer-Band waren die Yardbirds, und als sie die Gründung einer neuen Supergruppe diskutierten, meinte Drummer Keith Moon selbstkritisch-spöttisch, dass eine solche Band abstürzen würde wie ein bleierner Ballon, ein lead balloon. Der Gedanke gefiel den Musikern, nur dass aus dem Ballon ein Zeppelin wurde und das a aus lead gestrichen wurde. Damit wollte man ausschließen, dass begriffsstutzige Fans das led gesprochene Wort für Blei (lead) mit dem gleichgeschriebenen, aber lied gesprochene Wort für führen verwechselten.

Vom Herbst der Altrocker ist es nur ein kleiner Schritt zum Altweibersommer, den wir derzeit erleben dürfen. Mit reifen weiblichen Groupies von Gruppen wie den Stones oder Led Zeppelin hat diese Jahreszeit freilich nichts zu tun. Vielmehr leitet es sich von weiben ab, einem veralteten Wort für weben. Namensgeber sind die nur wenige Millimeter kleinen Baldachinspinnen, die in warmen Herbstmonaten an feinen Fäden hängend durch die Luft schweben. Das Landgericht Darmstadt urteilte denn auch völlig korrekt, als es 1989 entschied, dass die Verwendung des Begriffs Altweibersommer keinen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte alter Damen darstelle. Bestenfalls in jene alter Spinnen.

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