Koreanische Halbinsel:Anruf abgelehnt

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Südkorea möchte reden. Aber Nordkorea geht nicht ans Telefon. Das Regime von Kim Jong-un spielt auf Zeit.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Kim Jong-un macht es dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in nicht leicht, sich für den Frieden einzusetzen. Für Freitag hatte Südkorea dem Nachbarland im Norden Gespräche zur militärischen Entspannung angeboten. Pjöngjang aber reagierte nicht. Derweil höhnte die Parteizeitung Rodong Sinmun, es sei "Unsinn", dass Seoul bessere Beziehungen wolle. Es setze seinen Konfrontationskurs fort und gebe "seine Abhängigkeit von den USA nicht auf".

Kurz zuvor veröffentlichte Pjöngjangs Propaganda ein Video von der 27-jährigen Nordkoreanerin Lim Ji-hyun, die 2014 nach Südkorea geflohen war, wo sie bald als Überläuferin prominent wurde. Im Video behauptet sie nun, sie habe sich vorgestellt, "in Südkorea würde ich gut essen, gut leben und viel Geld verdienen. Aber Südkorea war eine tägliche Hölle". Zu allem, was sie im Süden gegen Nordkorea sagte, sei sie gezwungen worden.

Ungeachtet der Propaganda ist ein südkoreanischer Präsident, der Jungdiktator Kim mehr entgegenkommt als Moon, derzeit kaum vorstellbar. Nach zwei Hardlinern im Blauen Haus in Seoul, dem Amtssitz, sucht Moon mit seiner Friedensinitiative die sogenannte Sonnenscheinpolitik wiederzubeleben, das Tauwetter der Nullerjahre, für das Seoul Nordkorea großzügig belohnte. Allerdings soll die Moonlight-Politik, wie die neue Initiative genannt wird, mit Druck gepaart werden.

Er versucht es mit Mondlicht: Südkoreas Präsident Moon Jae-in. (Foto: AP)

Südkoreas Experten waren daher nicht überrascht, dass die seit Jahren unbenutzte militärische Hotline stumm blieb, über die der Norden am Freitag die Gespräche hätte akzeptieren sollen. Pjöngjang hat ähnliche Angebote nie direkt angenommen, sondern sie verschleppt, und versucht, größere Zugeständnisse herauszuholen. Das dürfte es auch diesmal, angesichts kommender Gespräche des Militärs und geplanter Verhandlungen zur Zusammenführung von im Koreakrieg getrennten Familien. Pjöngjang wird sich fragen, wie viel Moon bereit ist, für ein Entgegenkommen des Nordens zu geben. Da Kims Regime keine Zukunft hat und deshalb keine wirkliche Veränderung will, versucht es, den Status quo möglichst lange hinauszuzögern, vielleicht noch Jahre.

Die Moonlight-Politik jedenfalls kann nicht willkommen sein, denn jegliche Öffnung gilt dem Regime als Bedrohung. Nicht nur für Kim und seine Kamarilla. Sondern für die ganze Elite Nordkoreas, die ihre Privilegien verlieren würde, die ihnen Kim in den vergangenen Jahren bescherte. An diese Elite geht auch Lims Video-Botschaft: Im Süden ist es nicht besser. Unklar ist, ob die junge Frau freiwillig zurückging. Oder ob Agenten Pjöngjangs sie in China kidnappten, wie in Seoul vermutet wird. Unabhängig davon dürfte sie zum Propaganda-Auftritt gezwungen gewesen sein, um sich möglicherweise vielen Jahren Arbeitslager zu entziehen.

Kim Jong-un, oder die Clique hinter ihm, hat die Wirtschaftslage verbessert, zumindest für die Elite in Pjöngjang. Um die Macht seines Regimes zu konsolidieren, braucht er Stabilität, auch nach außen. Er meint, diese mit militärischer Abschreckung zu erreichen. Moon dagegen will, wie er sagt, den permanenten Frieden auf der koreanischen Halbinsel. Das wirft in Pjöngjang die Frage auf, wie weit es der Stabilität des Regimes dient, wenn Nordkorea auf Moon zugeht - und wann es gefährlich wird

© SZ vom 22.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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