Konjunkturprogramm:Gute Gaben, die längst vergeben waren

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"Wie viel hätten Sie denn gerne?", blaffte Finanzminister Steinbrück, als ob er seine Spendierhosen schon genug geplündert hätte. Schließlich hat die Bundesregierung angeblich ein gigantisches Konjunkturpaket in Höhe von 31 Milliarden Euro geschnürt. Doch viele Ausgaben waren sowieso geplant.

Michael Bauchmüller und Claus Hulverscheidt

Wer Peer Steinbrück dieser Tage so richtig auf die Palme bringen will, der muss ihn nur danach fragen, ob das am Donnerstag vom Bundestag beschlossene Konjunkturprogramm der Koalition nicht vielleicht ein wenig zu klein dimensioniert sei. "Wie viel hätten Sie denn gerne?", blafft der Finanzminister dann mit geschwollener Halsschlagader zurück.

Paarlauf der Big Spender: Doch Kanzlerin Merkel und ihr Finanzminister Steinbrück wären 2009 ohnehin spendabel gewesen (Foto: Foto: dpa)

"25 Milliarden, 50 Milliarden, 75 Milliarden? Oder darf es vielleicht noch ein bisschen mehr sein?" Es sei doch absurd zu glauben, so Steinbrück, dass die "schiere Größe" eines Hilfepakets irgendetwas über dessen Qualität aussage.

Bei genauerem Hinschauen

Der Ärger des SPD-Manns, der nebenher ja auch oberster Haushälter der Republik ist, scheint verständlich zu sein, schließlich droht die Konjunkturkrise alle Bemühungen der vergangenen Jahre um eine Sanierung des Bundesetats zunichte zu machen. Aber: Der "Größenwahn", den Steinbrück geißelt, macht auch vor der Regierung nicht halt. So verkünden die Spitzen der großen Koalition - inklusive Finanzminister - allerorten, das deutsche Konjunkturprogramm habe ein Volumen von 31 Milliarden Euro.

Damit, so heißt es im Kanzleramt, stehe man in Europa an zweiter Stelle - Größe ist also offenbar doch ein Kriterium. Was dabei aber gern verschwiegen wird, ist, dass hinter diesen 31 Milliarden ein Sammelsurium aus alten und neuen, ohnehin und zusätzlich geplanten, konjunkturrelevanten und konjunkturirrelevanten Maßnahmen steht. Zudem ziehen Union und SPD einfach die Ausgaben für mehrere Jahre zu einer Summe zusammen.

Bei genauem Hinschauen umfasst das eigentliche Konjunkturpaket der Regierung für das Jahr 2009 staatliche Mehrausgaben und Mindereinnahmen von gerade einmal 4,1 Milliarden Euro. Größte Posten sind zusätzliche Verkehrsinvestitionen, großzügigere Abschreibungsregeln für Unternehmen und die Kfz-Steuerbefreiung für Neuwagenkäufer.

Nach Lesart der Regierung kommen nun die Beschlüsse des Kabinetts vom 7. Oktober noch oben drauf - darunter die Steuerfreistellung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, die Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung von 3,3 auf 2,8 Prozent des Bruttolohns, die Erhöhung des Kindergelds um zehn Euro für die ersten beiden und um 16 Euro für alle weiteren Kinder, die Wohngelderhöhung und die Einführung von Schulstarterpaketen für Kinder aus ärmeren Familien.

Viele andere Gründe

Um am Ende auf die gewünschte Gesamtsumme zu kommen, werden auch hier die Zahlen für 2009 und 2010 einfach auf etwa 20 Milliarden Euro zusammengerechnet. Auf das Jahr 2009, wo nach Ansicht fast aller Ökonomen der größte Handlungsbedarf besteht, entfallen davon aber nur sechs Milliarden Euro. Inklusive des eigentlichen Konjunkturpakets ergibt sich für das nächste Jahr also ein Gesamtbetrag von gerade einmal zehn Milliarden Euro.

Hinzu kommt: Viele der Projekte wurden ursprünglich gar nicht wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage initiiert, sondern aus anderen Gründen. Zudem müssten in einigen Fällen eigentlich Mehrkosten für die Bürger an anderer Stelle gegengerechnet werden.

So bringt etwa die Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags Bürgern und Unternehmen zwar fast vier Milliarden Euro pro Jahr ein, das aber reicht bei weitem nicht aus, um die Mehrbelastungen durch die gleichzeitige Anhebung des Krankenkassenbeitrags auszugleichen. Das Kindergeld wird nur deshalb erstmals seit sieben Jahren erhöht, weil das nach den Vorgaben des jüngsten Existenzminimumberichts unumgänglich ist. Die Steuerfreistellung von Vorsorgeaufwendungen für Kranken- und Pflegeversicherung schließlich gilt erst von 2010 an.

Zig Vorhaben, verteilt über das ganze Land

Auch bei den neuen Bauvorhaben will der Bund vor allem längst Geplantes vorziehen. Eine Milliarde Euro darf Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) nun zusätzlich im kommenden Jahr verbauen, 2010 eine weitere, das ganze nennt sich "Arbeitsplatzprogramm". Eifrig forschten die Beamten in seinem Ministerium deshalb nach Projekten, die sich relativ schnell realisieren lassen - die also schon lange geplant waren und auch schon das nötige Baurecht haben.

"Das ging streng nach dem Kriterium: Wo können wir das Geld schnell einsetzen", sagt Tiefensee. Herausgekommen, immerhin, ist nun eine Liste mit zig Vorhaben, verteilt über das ganze Land. Vielerorts sollen Ortsumgehungen nun rascher gebaut werden als bisher geplant, auf bisher zweispurigen Autobahnen werden Bagger früher die Trassen für eine dritte Spur aufschütten, Bahnhöfe in der Provinz sollen saniert werden, Kanäle tiefer oder breiter werden. "Das ist ein Etat, der einen Verkehrsminister freut", frohlockt Tiefensee, der nun insgesamt 11,2 Milliarden Euro in solche Vorhaben stecken kann, durch die Krise noch einmal eine Milliarde mehr als bisher geplant.

Länder müssen sich beeilen

Ob und wann die zusätzlichen Mittel aber bei Baufirmen ankommen, hängt allerdings nicht am Verkehrsminister - sondern vor allem an den Ländern. Die müssen die Aufträge jetzt auch ausloben, und das dauert. Schon warnt die Bauindustrie, mit Pech könnte die Auftragslawine ausgerechnet im nächsten Herbst anrollen. Das wäre kurz vor Beginn des Winters, den die Bauindustrie traditionell nicht sehr schätzt.

Auch die Bahn muss sich recht schnell überlegen, welche Bahnhöfe denn eine Modernisierung vertragen könnten, 150 Millionen Euro stünden dafür 2009 und 2010 bereit. Gespräche zwischen Konzern und Ministerium soll es noch im Dezember geben. "Mein Appell geht an die Deutsche Bahn und an die Kollegen in den Ländern, die Projekte zügig auszuschreiben", sagt Tiefensee. Schließlich profitiere nicht nur die Bauwirtschaft von einer besseren Infrastruktur, sondern die Wirtschaft insgesamt.

Gelingen die Bauvorhaben nicht rechtzeitig, bliebe der Minister am Ende auf den Millionen sitzen. Dann wäre das ganze schöne Konjunkturpaket de facto noch einmal ein bisschen kleiner. Und wer weiß: Dem Finanzminister wäre das vielleicht sogar ganz recht.

© SZ vom 05.12.2008/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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