Kommentar:Keine Chance gegen die Westerwellisierung

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Dirk Niebel kann sich als neuer Generalsekretär auf den Kopf stellen: Am dürftigen Erscheinungsbild der FDP wird er nicht viel ändern. Denn das Problem der Partei heißt Guido Westerwelle.

Von Heribert Prantl

Es ist ein billiger Spaß, sich auch noch zu ihrem Abschied über die FDP-Generalsekretärin lustig zu machen.

Dass Cornelia Pieper nicht geeignet war, ein neues liberales Programm zu entwickeln, war von Anbeginn jedem klar - aber einem Parteichef einerlei, dem die Westerwellisierung der FDP als Programm genügte.

Solange das so ist und bleibt, kann der wackere Nachfolger Dirk Niebel sich auf den Kopf stellen; am dürftigen Erscheinungsbild der FDP wird sich nicht viel ändern.

Blasser bunter Hund

Das Problem der Partei heißt Guido Westerwelle, und sein Problem ist, dass er sich so lange als bunter Hund präsentiert hat, bis er davon ganz blass geworden ist.

Diese Blässe hat sich auf die Partei übertragen. Keiner weiß mehr so recht, wofür diese Partei eigentlich steht.

Gut - für wirtschaftspolitischen Neoliberalismus natürlich, für freien Markt und ungestörte Investitionsausübung. Aber dafür stehen die anderen auch: CDU und SPD machen eine Politik, als wäre Graf Lambsdorff ihr Ehrenvorsitzender.

Gegen die Datenspeichersucht

Im Mainstream geht die FDP unter. Für das Erstgeburtsrecht an einer Politik aber, die bisher nicht in der Lage war, Massenarbeitslosigkeit abzubauen, kann sich die FDP nichts kaufen.

Wäre sie intellektuell noch so sprühend wie zu Karl Hermann Flachs Zeiten, sie hätte versucht, Ideen zur Domestizierung der Globalisierung zu entwickeln und so den anderen Parteien vorauszudenken. Es gibt den Versuch nicht.

Es keimt allerdings eine neue Leidenschaft in der FDP, Widerstand zu leisten gegen die Erosion der Grundrechte.

Der kleine Kreis, der sich um die Ex-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und den innenpolitischen Sprecher Max Stadler schart, gewinnt an Einfluss: die Datenspeichersucht, der maßlose Zugriff auf Konten- und Telefondaten, die übertriebenen Eingriffe in Versammlungs- und Meinungsfreiheit im Zuge der NPD-Bekämpfung - in der FDP wächst die Sensibilität für die Themen Rechtsstaat und Bürgerrechte.

Liberale Markenzeichen

Das sind Themen, die einst liberale Markenzeichen waren, aber unter Westerwelle verspielt wurden. Neuerdings versucht auch er, diese alten Werte wieder als neue zu propagieren, weil er erkannt hat, dass Otto Schily ein gefundenes Fressen ist für eine bürgerrechtlich orientierte FDP.

Aber der FDP-Chef hat ein Glaubwürdigkeitsproblem, das auch seine Partei belastet. Noch vor einem Jahr, als die drei Altliberalen Hirsch, Baum und Leutheusser-Schnarrenberger in Karlsruhe einen großen Sieg gegen den großen Lauschangriff errangen, tat Westerwelle so, als müsse er sich dafür genieren.

Angeblich gibt es einen Machtkampf zwischen Westerwelle und seinem Vorgänger Wolfgang Gerhardt. Wahr daran ist, dass Letzterer sich nun darauf besinnt, dass er FDP-Fraktionschef ist und sich daraus gewisse Pflichten ergeben - unter anderem die, ab und an ein Programm-Papier vorzulegen. Inhaltlich unterscheiden sich die Papiere der beiden kaum. Sie rascheln nicht einmal richtig.

© SZ vom 5.4.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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