Kommentar:In Gaza nichts Neues

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Israels Premierminister Scharon kämpft weiter gegen die Hamas und sät wieder Terror.

Von Peter Münch

Es wirkt wie das Remake eines schlechten Films: Die Hubschrauber über Gaza-Stadt, die Raketen, die zerfetzten Leiber, und in der nächsten Einstellung dann die politischen Kommentare, die wortgleich schon einmal in Europa, in den USA, in Israel und in den Palästinenser-Gebieten gesprochen worden waren - all das kennt man doch schon. Schließlich folgte die gezielte Tötung des Hamas-Führers Abdel Asis Rantisi exakt dem Drehbuch der Liquidierung seines Vorgängers Scheich Achmed Jassin vor vier Wochen.

Doch das ist kein Film, getötet und gestorben wird echt, und Israels Premier Ariel Scharon setzt bei der Wiederholung nicht auf neue Aufmerksamkeit, sondern viel mehr auf einen Abnutzungseffekt. Er geht so unbeirrt seinen Weg, dass die Proteste ins Leere laufen und schon jetzt im Ritual erstarrt sind. Und er will seinen Kritikern in Europa und natürlich noch viel mehr seinen Feinden in Gaza und Ramallah demonstrieren, dass es derzeit nichts gibt, was ihn bremsen könnte.

Das dazu nötige Selbstbewusstsein hat er in den vergangenen Wochen getankt. Zum einen ist es der Hamas trotz überschäumender Rache-Rhetorik, bei der sich vor allem ihr Frontmann Rantisi hervorgetan hatte, bislang nicht gelungen, den Tod Scheich Jassins durch Selbstmordanschläge zu rächen. Für Israel ist dies ein Beweis eigener Stärke. Vor allem aber hatte Scharon in Washington durch den amerikanischen Präsidenten George Bush eine Rückenstärkung erfahren, die ihn selbst fast unheimlich anmuten müsste.

Wie verantwortungslos Israels Premier seinen Freiraum und seine Stärke nutzt, war nun wieder in Gaza zu sehen. Bevor seine Armee und seine Siedler den Landstreifen am Mittelmeer wie angekündigt verlassen sollen, will er dort mit dem Terrorismus aufgeräumt haben. Als Impuls ist das nachvollziehbar, als Politik jedoch nicht umzusetzen. Denn jeder Erfolg, den Scharon nun feiert, bringt ihn zugleich dem Ende seiner Siegesserie näher.

Erstens ist ein Rache-Anschlag irgendwo in Tel Aviv oder Jerusalem weiterhin nur eine Frage der Zeit. Israelische Zivilisten werden also den Preis dafür zu zahlen haben, dass Israels Regierung den Gewaltkreislauf wieder angeheizt hat. Und zweitens kann Scharon gar nicht so viele Terroristen umbringen lassen, wie gerade durch solche Maßnahmen nachwachsen werden. Selbst wenn es Israel gelingt, die Hamas durch die Tötung ihrer Anführer zu schwächen, lässt sich dadurch der palästinensische Terrorismus insgesamt nicht besiegen. Im Gegenteil: Der Sumpf wird nicht ausgetrocknet, sondern bewässert.

Scharon jedoch wird niemals einsehen, dass seine alte Gleichung - Stärke bringt Sicherheit - nicht aufgehen kann. Solange in Washington niemand sitzt, der ihm Nachhilfe erteilen könnte, muss man sich wohl noch auf weitere Auswüchse einer gewaltfixierten Politik einstellen.

© SZ vom 19.4.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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