Kommentar:Eingeständnis der Schwäche

Lesezeit: 2 min

Deutschland im Kongo-Konflikt: Wo ein politischer Wille ist, fehlt ein militärischer Weg.

Nico Fried

(SZ vom 5.6.2003) - Die Entsendung einer Eingreiftruppe in die Demokratische Republik Kongo ist eine gute Sache. Wer wollte da widersprechen? Man kann nur dafür sein, dass einem brutalen Gemetzel Einhalt geboten wird.

Selten ist die unmittelbare humanitäre Sinnhaftigkeit eines Militäreinsatzes so offenkundig. Es gibt einen internationalen Konsens, es gibt ein Mandat der Vereinten Nationen, und es gibt die Zustimmung zumindest der betroffenen Regierungen in Kongo, Ruanda und Uganda. Es ist deshalb verständlich, dass es gerade einer rot-grünen Koalition besonders schwer fallen muss, sich ausgerechnet bei einer solchen Mission zurückzuhalten, nachdem man zuvor über Jahre das Militärische als Mittel der Außenpolitik in weitaus umstritteneren Einsätzen legitimiert hat.

Fehlende Kapazitäten

Dennoch hat sich die Bundesregierung nun auf die Bereitstellung vorwiegend logistischer Hilfe beschränkt. Das Problem besteht darin, dass politischer Wille und militärische Möglichkeiten nur sehr begrenzt zueinander passen.

Unterstellt, die Bundesregierung würde gerne aktiver dem Anliegen des UN-Generalsekretärs nachkommen, das Morden in Kongo einzudämmen, so führt doch kein Weg daran vorbei, dass der Bundeswehr für Hilfe in vorderster Linie die Kapazitäten fehlen - es sei denn, sie reduzierte ihre Präsenz an anderen Orten, zum Beispiel im Kosovo.

Und selbst dann ist nicht sicher, ob diese Kräfte auf die speziellen Anforderungen in Kongo ausreichend vorbereitet wären - zumal keine Wochen, sondern allenfalls noch Tage zur Verfügung stehen.

Niemandem ist aber damit gedient, dieses Defizit zu verschleiern, am wenigsten den Soldaten, die letztlich davon betroffen wären. Es hat weniger mit Feigheit als mit Realismus zu tun, wenn die erste Verantwortung für den Kongo anderen überlassen wird: den Franzosen und Belgiern, die den Konflikt aus eigener jahrzehntelanger Verstrickung besser kennen, oder den Briten, die in Sierra Leone ihre Fähigkeiten eindrucksvoll unter Beweis gestellt haben.

Mut zum Umbau

Dieses Eingeständnis der Schwäche muss allerdings auch Konsequenzen nach sich ziehen. An erster Stelle im militärischen Bereich: Wenn ganz allgemein die Bewältigung internationaler Konflikte künftig für die Bundeswehr Priorität haben soll, wie es erst vor kurzem in den verteidigungspolitischen Richtlinien festgeschrieben wurde, dann muss diesem theoretischen Anspruch die Befähigung für die Praxis folgen.

Eine Armee in einer Gesamtstärke von 300.000 Mann, die am Ende ihrer Möglichkeiten ist, wenn 10000 davon sich im Auslandseinsatz befinden, ist für die neue Aufgabenstellung offensichtlich falsch konstruiert. Ihr Umbau braucht den Mut zur Beseitigung von Tabus. Und er kostet Geld.

Neue politische Prioritäten

Darüber hinaus wird aber auch die Definition neuer politischer Prioritäten unumgänglich. Es ist erfreulich, dass die Europäer sich nun in ihren ersten selbstständigen Einsatz ohne Unterstützung der Nato wagen. Allerdings kommt die Mission "Artemis" vor allem auf Drängen der Franzosen zustande. Paris tut sich leichter, die eigenen Interessen klar und deutlich zu formulieren und auch international durchzusetzen. Die Bundesregierung hingegen wird in ihren Entscheidungen seit dem Ende der neunziger Jahre eher von den Ereignissen getrieben. Außer im Irak war das oberste Ziel bislang vor allem, sich als vorbildlicher Partner zu beweisen und es möglichst allen recht zu machen.

Das wird sich ändern müssen. Eine europäische Sicherheitspolitik mit gemeinsamen Zielen, wie sie derzeit erarbeitet wird, ist wünschenswert. Aber selbst wenn dieser Konsens zustande kommt, wird es in den einzelnen Hauptstädten allein aus historischen Gründen bisweilen unterschiedliche Schwerpunkte geben. Dabei aber braucht sich Deutschland mit seinem Engagement auf dem Balkan und in Afghanistan nicht zu verstecken. Der Idealfall einer fairen Arbeitsteilung wäre erreicht, wenn man in Berlin auch einmal nein sagen könnte, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: