Kommentar:Ein großer Fisch

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Hambali ist gefasst, aber die Wirtschaftsmisere Indonesiens bleibt Nährboden für den Terror.

(SZ vom 16.08. 03) - Hambali ist gefasst. Der "Gotteskrieger", der die Jemaah Islamiah zum verlängerten Arm der al-Qaida in Südostasien gemacht hat, wird keine Anschläge mehr organisieren. Das Netz zieht sich um die militante Islamistenorganisation zusammen. Der geistliche Führer der Extremistengruppe, Abu Bakar Bashir, der mit Brandreden zum Jihad aufgerufen hat, steht vor Gericht. 15 Jahre Gefängnis hat die indonesische Staatsanwaltschaft für den weißbärtigen Prediger gefordert.

Dutzenden von willigen Vollstreckern seiner fanatischen Vision droht der Tod durch Erschießen. Dies hat das erste Urteil gegen einen jener Attentäter klar gemacht, die mit ihren Bomben letzten Oktober rund 200 Menschen auf Bali in den Tod gerissen hatten.

Die Regierungen in der Region sind sich im Kampf gegen den Terror seit dem Bali-Attentat einig. Grenzübergreifend haben die Geheimdienste zusammengearbeitet, unter Anleitung und Aufsicht der USA. Die Fahnder verbuchen aufsehenerregende Erfolge - und dennoch ist der Jemaah Islamiah vor zwei Wochen erneut ein tödlicher Schlag gelungen in Jakarta.

Gewiss, die Hintergründe des Anschlags auf das Hotel Marriott sind bereits geklärt und mehrere Verdächtige in Haft. "Der größte Fisch" ist Hambali, wie Australiens Premier Howard frohlockt. Der 39-Jährige gilt als Kopf all des Terrors, mit dem die Jemaah Islamiah in den vergangenen Jahren Südostasien überzogen hat.

Der Vordenker und Chefplaner ist jetzt aus dem Verkehr gezogen: Zu glauben, dass seine Organisation nun unschädlich gemacht ist, wäre indessen nicht nur naiv, sondern sogar lebensgefährlich. Die Terrorgruppe zählt Geheimdienstschätzungen zufolge 200 bis 1000 Mitglieder. Das mag als verschwindend kleine Zahl erscheinen angesichts der Gesamtbevölkerung Südostasiens von 500 Millionen Menschen.

Gut organisiert und ausgebildet

Die militanten Islamisten sind jedoch gut organisiert und ausgebildet und zu allem entschlossen. Sie haben sich als Meister des Machbaren erwiesen. Planten sie früher erfolglos Angriffe auf Botschaften und Flughäfen, nahmen sie in letzter Zeit so genannte weiche Ziele wie Hotels, Einkaufszentren und Nachtclubs ins Visier.

Die Jemaah Islamiah besitzt nicht nur Zellen in gesamt Südostasien, sondern auch in Australien, wie letzte Ermittlungserfolge an den Tag gebracht haben. Die Führer aber stammen aus Indonesien, und einzig in diesem unüberschaubaren Inselreich hat die militante Islamistengruppe seit dem 11.September 2001 tödlich zuzuschlagen vermocht.

Blutbefleckt ist das Image des größten muslimischen Landes, das vor wenigen Jahren noch wirtschaftlich Furore machte als aufstrebender Tigerstaat. Die Touristen und die Investoren bleiben zunehmend fern. Das ist eine Katastrophe für die meisten der 185 Millionen Muslime, welche die Mehrheit der indonesischen Bevölkerung stellen und gemäßigten Glaubens sind.

Nicht Religion sondern Repression

Nicht die Religion, sondern die Repression hat die Gewaltspirale in Gang gesetzt. Diktator Suharto hielt die Nation, die 13500 Inseln und 360 Stämme zählt, mehr als drei Jahrzehnte mit eisernem Griff zusammen. Das Militär machte er zu einem Staat im Staat, seine Familie und Freunde zu Günstlingen.

Die dringenden Reformen lassen seit seinem Sturz 1998 auf sich warten. Präsidentin Megawati Sukarnoputri ist zwar mehr oder weniger demokratisch gewählt, aber die Selbstherrlichkeit der Armee und die Korruption der Behörden sind ungebrochen - und werden von der Justiz, die zu den korruptesten weltweit zählt, kaum geahndet.

Den Graben zwischen Arm und Reich hat die Wirtschaftskrise in den letzten Jahren noch vertieft. Die Misere aber ist der Nährboden, auf dem Unruhen und Terror gewachsen sind. Es brennt auf mehreren Inseln des Archipels. Solange der indonesische Staat jedoch in der Krise steckt, mangelt es den militanten Islamisten nicht an Unterschlupf und Unterstützung.

© Von Manuela Kessler - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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