Kommentar:Drei Minuten Buße, zwei Minuten Beifall

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Liberaler Parteitag: Die FDP ist erfolgreich, aber man merkt davon nichts.

Heribert Prantl

(SZ vom 17.05.2003) - Man merkt es zwar diesem Parteitag nicht an, aber es ist so: Die FDP ist die erfolgreichste Partei Deutschlands. Die FDP hat die anderen Parteien missioniert. Ihr Geist hat die CDU infiziert und die SPD erfasst.

Ein Friedrich Merz redet wie der Graf, und ein Gerhard Schröder spricht wie der Lambsdorff. Die Agenda 2010 des sozialdemokratischen Bundeskanzlers liest sich wie eine Neuauflage des FDP-Wirtschaftspapiers von 1982, mit dem sich seinerzeit die Liberalen von der SPD abgesetzt und auf die Seite der Union geschlagen haben. Neoliberale Programme, wie sie früher exklusiv bei der FDP herausgegeben wurden, werden heute bei der Union und bei der SPD gedruckt.

Und Bösartigkeiten gegen die Gewerkschaften, wie sie der FDP-Vorsitzende Westerwelle soeben von der Bühne des Bremer Parteitages spuckt, hört man nun auch von Sozialdemokraten.

Das alte Lied der FDP singt also jetzt der große Chor der deutschen Parteien. Welch ein Erfolg! Nun wird zwar, wie jeder weiß, ein schlechtes Lied nicht dadurch gut, dass auch die Fischer-Chöre es singen; und eine falsche Ideologie wird nicht dadurch richtig, dass sie enormen Zulauf hat.

Gleichwohl: Die FDP kann sich, da hat Guido Westerwelle Recht, bestätigt fühlen. Ihr Wiesbadener Programm, vor sechs Jahren noch als Turbokapitalisten-Programm und als Grundgesetz der Ellbogengesellschaft beschimpft, gilt nun als Handbuch für den Umbau von Staat und Gesellschaft. Schröder und sein Wirtschaftsminister Clement schreiben ihre Rezepte auf den Rezeptblöcken der FDP.

Indes ist von neoliberaler Euphorie und Begeisterung auf dem FDP-Parteitag nichts zu spüren. Die freidemokratische Partei könnte heute der Braintrust der deutschen Politik sein - aber sie ist es nicht. Und da hilft es nichts, wenn Westerwelle in seiner Parteitagsrede-Rede noch ein wenig lauter lärmt als sonst und die Schlagzahl marktliberaler Floskeln noch einmal erhöht. Es zündet nicht so, wie es zünden sollte.

Nur knapp zwei Minuten Beifall. Das liegt auch daran, dass die dreiminütige Buße, die er in seiner Neunzig-Minuten-Rede für eigene Fehler und Führungsschwächen übte, schizophrenen Charakter hatte: Westerwelle bezeichnete die beiden letzten Jahre der Irrungen und Wirrungen mit Möllemann nämlich zugleich als die erfolgreichsten FDP-Jahre seit der deutschen Einheit. Dieses Selbstlob schwächt die Kraft des Mea culpa.

Westerwelle versucht, wie der Prophet zu reden - und so einen Propheten bräuchte die Partei jetzt auch, um die politische Debatte in Deutschland anzuführen. Aber es funktioniert nicht. Die alte Unernsthaftigkeit klebt dem Sturm-und-Drang-Redner an den Schuhen. Die FDP leidet an den Wunden, welche die Möllemann-Skandale, die Spaß-Spektakel und die verlorene Bundestagswahl geschlagen haben.

Die FDP spürt zwar die Kraft ihres Glaubens, hat aber den Glauben an ihren Parteichef noch nicht wieder gefunden. Darum ist sie in der Hochzeit ihres ideologischen Erfolgs auf der Suche nach sich selbst.

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