Kommentar:Die Mucken der Maut

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Das elektronische Abrechnungssystem für Lastwagen bereitet Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) Schwierigkeiten.

Von Christian Schneider

(SZ vom 28.07.2003) - Warnungen vor einem Chaos bei der Einführung der Lkw-Maut hat es schon vor Monaten gegeben. Und die Hinweise kamen auch nicht nur vom Speditionsgewerbe, das die Maut natürlich ablehnt. Doch sind wohl alle Hinweise, dass das elektronische Abrechnungs-System noch seine Mucken hat, nicht ernst genug genommen worden.

Hinzu kommen Einwände der EU-Verkehrskommissarin Loyola de Palacio, die sich ebenfalls schon vor Monaten zu Wort gemeldet hatte. Neu sind die Probleme also wirklich nicht. Nun läuft der Show-Down zwischen Berlin und Brüssel, und man darf gespannt sein, ob vom 31.August an die Fernlaster auf den deutschen Autobahnen tatsächlich zur Kasse gebeten werden.

Stolpe trägt nicht die alleinige Schuld

Fairerweise darf man Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe nicht allein die Schuld an dieser Misere in die Schuhe schieben. Denn einiges von dem jetzt offenbar werdenden Durcheinander hat er schon von seinen Vorgängern im Amt übernommen.

Zur Erinnerung: Eigentlich sollte die neue Gebühr ja schon seit Januar dieses Jahres gelten. Doch hat es in den vergangenen drei Jahren an der Spitze des Ministeriums fast im Zwölf-Monats-Rhythmus Wechsel gegeben - was bei der Umsetzung der Maut-Pläne nicht eben förderlich war. Prompt gab es Pannen bei der Ausschreibung für die elektronische Erhebung der Lastwagen-Maut.

Nun stellt sich heraus, dass es mit der Auslieferung der für die Mauterhebung erforderlichen elektronischen Erfassungsgeräte, den so genannten On-Board-Unis (OBU), hapert. Vor allem mittelständische Transport-Unternehmen klagen über Schwierigkeiten, rechtzeitig und ausreichend an solche OBUs heranzukommen, um ihre Flotte mit diesen Geräten auszustatten.

Wiederholt ist nicht nur darüber geklagt worden, dass es derzeit noch viel zu wenig solcher Geräte gibt, sondern auch darüber, dass zu wenige Serviceunternehmen vom Mautbetreiber TollCollect für den Einbau der OBUs beauftragt worden sind. Die Zusage Berlins, dass Ende August mindestens 200.000 und bis zum Jahresende 500.000 OBUs bereitstehen, steht nach wie vor auf wackeligen Füßen.

Weichen der Verkehrspolitik neu gestellt

Die Probleme können also nicht mehr wegdiskutiert werden. Klar ist bei allem dennoch: Selbst wenn der Termin 31.August noch einmal verschoben werden muss, heißt das nicht, dass damit die Lkw-Maut auf deutschen Straßen gestorben wäre. Es bleibt bei dem - richtigen - Beschluss von Rot-Grün, dass mit dieser Maut die Weichen in der Verkehrspolitik neu gestellt werden sollen.

Noch ehe die erste Hausaufgabe richtig gelöst ist, wird schon die nächste Frage gestellt: Ob die Maut auch auf Personenwagen ausgedehnt werden soll? Der Gedanke ist bestechend: Wer viel fährt, soll viel zahlen. Doch wenn dann die neuen Milliarden-Einnahmen nur in den Bau neuer Straßen investiert werden, würde sich das Maut-System in sein Gegenteil verkehren. Es gäbe plötzlich unbegrenzt Geld für immer neue Straßen. Das freut sicherlich die Bauindustrie, aber nicht die Ökologen.

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