Kommentar:Der Sieg des Bösen

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Arnold Schwarzenegger kandidiert in Kalifornien, weil die Illusion längst die Politik abgelöst hat.

Von Stefan Kornelius

(SZ vom 7.10.2003) - Es ist nicht unüblich, dass Politiker mit der Zeit zu Schauspielern mutieren. Die umgekehrte Variante - Schauspieler wird Politiker - kommt vor allem in den USA zur Aufführung, wo Clint Eastwood einst Bürgermeister einer Millionärs-Enklave am Pazifik wurde, und an diesem Dienstag Arnold Schwarzenegger zum Gouverneur von Kalifornien gewählt werden könnte. Dazwischen liegen Ronald Reagan und der Catcher Jesse Ventura. Letzterer ein zunächst viel bestaunter, später in Schande aus dem Amt gejagter Gouverneur in Minnesota.

Sensibles Experimentierfeld

Kalifornien ist aber nicht Minnesota, weshalb diese seltsame Polit-Aufführung unter dem Titel Abwahl von Gouverneur Davis große Bedeutung hat für die USA, die Weltwirtschaft und die Idee der Demokratie überhaupt. Kalifornien ist nicht nur der größte und wirtschaftsstärkste Bundesstaat in den USA, Kalifornien wäre - als Nation betrachtet - unter den Top 10 der Welt. Deutschland müsste mit dem Staat als Wirtschaftsmacht ernstlich konkurrieren. Aber auch in den USA ist Kalifornien ein sensibles Experimentierfeld mit seiner einmaligen Mischung aus hochmotivierten und leistungsbewussten hispanischen und asiatischen Einwanderern.

Gäbe es vergleichbare politische Turbulenzen in Italien oder Polen - selbstverständlich würde die Welt besorgt aufmerken. In Kalifornien aber ist die Abwahl Teil eines Unterhaltungsspektakels. Dabei ist politische Instabilität und hohe Wählerbeweglichkeit nicht unnormal für den Bundesstaat: In Kalifornien werden Volksbegehren oder direkte Gesetzgebungsprozesse eingesetzt wie sonst kaum irgendwo auf der Welt.

Missbrauch mit der Demokratie

Mit dem Abwahl-Verfahren - einem Umtauschrecht bei Nichtgefallen - ist aber die Grenze zur Willkür überschritten. In Kalifornien wird Missbrauch mit der Demokratie betrieben. Mehrheitsbestimmungen für die Abwahl und das Wahlverfahren spotten allen Regeln eines fairen Prozesses. Eine vernünftige Amtsführung ist nicht möglich. Wenn eine Regierung immer nur nach Zustimmung lechzen muss, wird jede langfristige Politik unmöglich. Wenn kaum mehr als zehn Prozent der Einwohner den Daumen senken und den Staat politisch lahm legen können, dann wird die Idee der direkten Demokratie pervertiert.

In Kalifornien herrscht also Stimmungsdemokratie. Nun muss man besonders als Deutscher nicht gleich mit Weimar kommen und die Gefahr für das System durch wankende Regierungen und sich selbst auflösende Parlamente beraunen. Kalifornien wird auch diese Torheit überleben. Aber dennoch deutet das Abwahlverfahren und die Kandidatur des durch seine sparsamen Filmdialoge bekannt gewordenen Schauspielers Schwarzenegger auf einen unseligen Trend im amerikanischen Polit-Gewerbe: die Hollywoodisierung.

Film wird Politik

Schwarzenegger ist in Amerika das bislang schlimmste Beispiel für diesen Trend: Ein im Film gezüchtetes Heilsversprechen wird in die Politik übertragen, weil es so plausibel klingt. Wenn Präsident George Bush den Oberkommandierenden mimt und auf dem Flugzeugträger landet, dann projiziert er die von Hollywood erschaffene Welt ins wirkliche Leben.

Einer Vielzahl von Amerikanern kam die Idee nämlich gar nicht seltsam vor, dass man in ein fernes Land einmarschieren, binnen Monatsfrist wieder abziehen und in der Zwischenzeit die Sache ordnen könne. Mit Schwarzenegger kommt nicht die Politik zum Film, sondern der Film wird Politik.

Gray Davis hat sich in seiner Amtszeit als schlechter Gouverneur erwiesen. Aber Arnold Schwarzenegger ist schon vor der Abstimmung ein schlechter Politiker. Er beherrscht das Handwerk des Illusionisten, des Gauklers, der schwierige Probleme in 120 Minuten lösen kann, weil dies ein Drehbuch so vorsieht. Politik funktioniert aber nicht nach dem Terminator-Prinzip - und erst recht nicht, wenn sie in fragwürdigen Verfahren wie in Kalifornien zu Stande kommt. Würde Schwarzenegger über seine Kandidatur einen Film machen - er wäre der Böse.

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