Kommentar:Der doppelbödige Parteitag

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In Düsseldorf geriet der Beifall für CDU-Chefin Angela Merkel zu einer Kundgebung der Heuchelei.

Von Hans Werner Kilz

Vor zwei Jahren, bei der letzten Bundestagswahl, war der Kanzler froh, dass er Edmund Stoiber zum Herausforderer hatte. Bei dem Bayern wusste Gerhard Schröder, dass er zupacken konnte, da war er angriffslustig, spöttisch und polemisch. 2006 wird er sich umstellen müssen.

Mit Angela Merkel wird sich erstmals eine Frau um das Amt des Regierungschefs bewerben, und die Protestantin aus der Uckermark setzt auf Werte, die dem Sozialdemokraten Schröder politisch nie allzu viel bedeutet haben: Vaterland, Familie und der liebe Gott. Der Kanzler beginnt gerade zu üben, lange genug Zeit bleibt ihm ja.

Es war schon vor dem CDU-Parteitag klar, dass die Kanzlerkandidatur auf Angela Merkel zuläuft. Und es wird sich nach dem Parteitag nichts daran ändern, obwohl die Zweifel eher gewachsen sind.

Die Union zelebrierte einen sonderbaren Parteitag, fern von Ehrlichkeit und Begeisterung. Wer als CDU-Oppositionspolitiker gekommen war, um eine kampfeslustige Vorsitzende zu erleben, die Aufbruchsstimmung und Siegeszuversicht verbreitet, wird enttäuscht nach Hause gefahren sein.

Feigheit und Unvermögen

Angela Merkel redete zu lang, auch zu langatmig; sie bekam den Saal nie in den Griff, weil sie es versäumte, sich auf das zu konzentrieren, was CDU- von SPD-Politik unterscheidet.

Die Beifallsorgie geriet zu einer Kundgebung der Heuchelei. Die selben Landesfürsten, die minutenlang in die Hände klatschten, zeigten sich draußen vor dem Saal und unter ihren Delegierten enttäuscht.

Die CDU ist von ihrer Vorsitzenden so wenig begeistert, wie es die Sozialdemokraten 1995 von Rudolf Scharping waren. Nur das Meucheln fällt ihr schwerer, aus Feigheit und aus Unvermögen.

Selbst wenn die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen im Frühjahr verloren gehen, wovon jetzt schon viele in der CDU ausgehen, werden sie Angela Merkel gegen Schröder ins Rennen schicken.

Der Wähler soll erledigen, was sich die Partei nicht traut. Keiner von denen, die sich für besser geeignet halten, sei es nun Wulff, Koch oder Stoiber, will das Stigma des Königinnenmörders tragen oder auch nur die eigene Karriere gefährden.

Edmund Stoiber, der am Dienstag eine passable Rede hielt, hatte 2002 seine Chance und hat sie vertan. Ihm genügt es nun, als wichtigster Verbündeter umschmeichelt zu werden.

Angela Merkel weiß, dass sie außer den Wählern immer wieder die eigene Partei überzeugen muss. Nicht die nur 88,4 Prozent der Stimmen sind ihr Problem, sondern die vielen Parteifreunde, die zwar für sie gestimmt haben, aber gegen sie Stimmung machen.

Machtpolitisch mag sie das überstehen, programmatisch geht sie einen gefährlichen Weg. Wer Wahlen mit Themen wie Patriotismus und Heimat gewinnen will, muss einen intellektuell brillanten Interpreten haben (wie Heiner Geißler einer war und auch Wolfgang Schäuble) oder selber die Debatte dominieren. Eine DDR-Biografie allein wird nicht reichen.

© SZ vom 8.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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