Kommentar:Ausländer rein

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Bei der Zuwanderung opfert die Union ihre Wirtschaftskompetenz auf dem Altar des Populismus.

Marc Beise

(SZ vom 2.3.2002) - Am deutlichsten war wieder Hans-Olaf Henkel geworden. "Ich kann die Union nur auffordern, das Zuwanderungsgesetz der Bundesregierung nicht zu blockieren", gab der schneidige Ex-Industrie-Präsident der Opposition im Bundestag mit in die Abstimmung.

Etwas verbindlicher, aber in der Sache ähnlich äußerten sich der Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und das deutsche Handwerk.

Auffallend dagegen, dass die beiden gewöhnlich wortführenden Organisationen, der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und die Arbeitgeber (BDA), sich um jede Stellungnahme drückten. Ihre Hauptgeschäftsführer sind mit der Union eng verbandelt; ein Schuft, wer Böses dabei denkt.

Dabei sollte die Wirtschaft, die ein Zuwanderungsgesetz will (und zwar rasch), jetzt allen Einfluss geltend machen, hinter den Kulissen und in der Öffentlichkeit. Denn die Union zieht bei der Zuwanderung sämtliche Bremsen gleichzeitig.

Mit dieser eindeutig auf Emotionen zielenden Position lassen sich womöglich (schlimm genug bei der Sensibilität des Themas) Wahlen gewinnen. Ganz sicher aber beweist die Union damit nicht ihre Wirtschaftskompetenz, mit der sie doch in den kommenden Monaten punkten wollte.

Mehr noch: Mit der Ablehnung des teilweise in ihrem Sinne nachgebesserten rot-grünen Gesetzentwurfs verhindert die Union dringend notwendige Reformen. Das hat Konsequenzen für die Wirtschaftskraft des Landes, die Beschäftigungslage und die Finanzierung des Sozialsystems.

Wenn CSU-Landesgruppenchef Michael Glos allen Ernstes für den Fall eines Wahlsieges ein "Zuwanderungsbegrenzungsgesetz" ankündigt, ist das der Abschied aus der wirtschaftlichen Realität. Erst recht gilt das, wenn wider besseres Wissen ein Zusammenhang zwischen dem Zuzug ausländischer Arbeitskräfte und der hohen Arbeitslosigkeit konstruiert wird.

Wie das? Mehr als eine Million offene Stellen sind heute partout nicht zu besetzen, weil die entsprechend Qualifizierten fehlen.

Auch wenn man hier in Zukunft besser qualifizieren, umschulen, ausbilden würde, wäre das Problem nicht gelöst, im Gegenteil: Die fortschreitende Vergreisung Deutschlands wird immer größere Lücken reißen.

Allein schon deshalb ist ein Zuwanderungsgesetz so wichtig und dringlich. Der "Wirtschafts"-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) hätte alle Gründe, offensiv für eine offene und tolerante Gesellschaft zu werben.

Ohne ein entsprechendes Klima nämlich werden die hoch Qualifizierten nicht kommen, die Stoiber gerade noch in die Festung lassen will, ehe die Brücken rasselnd hochgezogen werden. Stattdessen proklamiert er "die Grenze der Integrationsfähigkeit" und polemisiert gegen das Zuwanderungsgesetz, das immerhin - wenn auch verbesserungsfähige - Regeln enthält, um Spitzenkräfte für Wirtschaft und Wissenschaft, so genannte "High Potentials", zu gewinnen.

Lieber kein Gesetz als dieses, lautet der Schlachtruf der Opposition. Richtig wäre das glatte Gegenteil: Lieber dieses Gesetz als keines.

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