Kohls Auftritt in Berlin:Ein Freund, ein guter Freund

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Bei einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung lobt Altkanzler Helmut Kohl die Verdienste eines alten Weggefährten, gibt Einblicke in sein Machtsystem - und räumt sogar eine kleine Wahlmanipulation ein.

Thorsten Denkler, Berlin

Helmut Kohl sitzt in der ersten Reihe. Und als wäre er noch Kanzler oder wenigstens Chef der CDU stehen sie im Gang neben ihm Schlange, um ihm wenigstens kurz die Hand schütteln zu können.

Hält die Lobrede auf seinen Freund Bernhard Vogel: Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl beim Symposium der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin (Foto: Foto: dpa)

Eigentlich ist es der Tag von Bernhard Vogel, der heute 75 Jahre alt wird. Kohl soll die Eröffnungsrede auf seinen alten Weggefährten halten, der es als bisher einziger deutscher Politiker geschafft hat, nacheinander in zwei Bundesländern Ministerpräsident zu werden. Erst in Rheinland-Pfalz, später in Thüringen.

Zwei Sicherheitsleute hieven Kohl aus seinem Stuhl im Pavillon des Berliner Nobel-Hotels Intercontinental, um ihn zum Podium zu begleiten. Bernhard Vogel, heute Chef der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), hat seinen alten Freund gebeten, zu dem Symposium zu seinen Ehren zu kommen. Thema der Tagung: "Gemeinwohl in einer globalisierten Welt".

Das aber war nicht das Thema von Helmut Kohl, der vom stellvertretenden Generalsekretär der KAS, Gerhard Wahlers, überschwänglich als "Kanzler der deutschen Einheit und Ehrenbürger Europas" begrüßt und um die Eröffnung gebeten wird.

Kohl würdigt pflichtbewusst die Leistungen von Bernhard Vogel, den er beharrlich Bernd nennt - nachdem er seine Sicht auf die Welt dargelegt und dabei alte Feindschaften gepflegt hatte.

"Ich habe den Falschen unterstützt"

Kohl und Vogel kennen sich noch aus den Anfängen der jungen Bundesrepublik. Während der Bundestagswahl 1953 seien sie sich nähergekommen, sagt Kohl. Auf seinen Bernd ließ er danach nichts kommen.

Bis auf ein Mal, als es 1974 um Kohls Nachfolge um den Parteivorsitz in Rheinland-Pfalz ging, nachdem Kohl 1973 Chef der Bundespartei geworden war. "Ich spreche es offen an, ich habe damals nicht Bernd unterstützt, sondern den Falschen."

Der Falsche, das war Heiner Geißler. Der wurde zwar noch Generalsekretär der CDU unter Kohl und blieb es bis 1987. Spätestens seit dem Bremer Putsch-Parteitag von 1989 aber gilt Geißler als Intimfeind Kohls. Geißler soll damals massiv Lothar Späth unterstützt haben, der in Bremen gegen Kohl für das Amt des Parteivorsitzenden antreten wollte. Kohl gewann den Machtkampf. Vergessen hat er ihn nie.

Und auch nicht, dass Geißler zu den Ersten gehörte, die Kohl wegen der schwarzen Kassen kritisierten. Vogel hat das nie. Aber die Affäre hat Kohl heute selbstredend nicht angesprochen.

Immer wieder spickte Kohl seine Rede mit Seitenhieben à la "Wer für mich ist, ist gut, wer gegen mich ist, muss halt mit den Konsequenzen leben".

Der Kreisverband Heidelberg etwa, dem Vogel ab 1964 vorsaß. "Das war vielleicht die einzige Zeit in der Heidelberger Kreispartei, in der er irgendeine Form von Zukunft vor sich sah", grantelte Kohl.

Vogels lange Erfahrung als Landespolitiker nutzte Kohl, um gegen "die da" in Berlin zu poltern: "Viele Leute, die da in Berlin herumlaufen, wissen doch gar nicht, was das ist, ein Landtag." Ho, ho, ho, lacht es da im Saal. Hier sitzen viele von denen, "die da in Berlin herumlaufen".

"Heute kann ich das ja sagen"

Kohl gewährt auch einen kleinen Einblick in das System Kohl, das er offenbar von Beginn seiner politischen Karriere an aufgebaut hat. Er war es, der Vogel 1965 den Bundestagswahlkreis Neustadt-Speyer zuschanzte. "Heiß umkämpft" war der, sagt Kohl. Es gab katholische Gruppen, die ihn für sich beanspruchten. Kohl half mit einer kleinen "Manipulation" nach - "heute kann ich das ja sagen". Vogel wird in den Bundestag gewählt.

Manche lachen noch eine halbe Minute später ungläubig auf, als ihnen gewahr wird, was der Altkanzler da eben zugegeben hat: Wahlmanipulation.

Der Altkanzler vergisst auch nicht, den Sturz Vogels in Rheinland-Pfalz auf seine spezielle Art zu würdigen. Vogel war 1987 gerade zum vierten Mal in Folge im Amt des Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz bestätigt worden. Den Verlust der absoluten Mehrheit nahmen ihm seine Parteifreunde allerdings so krumm, dass sie gegen seinen Willen den ehrgeizigen Umweltminister Hans-Otto Wilhelm 1988 zum Landesparteichef machten. Im gleichen Jahr trat Vogel auch als Ministerpräsident zurück.

Kohl sagt, in der CDU kehren "manche Dummheiten wieder wie die Jahresringe im Baum". Und zu diesen Dummheiten zählt er den Sturz Vogels. Sogar zu den "besonderen Dummheiten". Ein Lehrstück sei das gewesenen. "Weil bis zum heutigen Tag nicht vergessen wurde in Teilen der Bevölkerung, was es bedeutet, wenn man sagt: So kann man mit jemandem nicht umgehen."

Danach kam die Partei in Rheinland-Pfalz nicht mehr auf die Füße. Heute regiert in Mainz SPD-Chef Kurt Beck mit absoluter Mehrheit.

Erzwungene Loyalität

Ein letztes Mal kam Kohl seinem Freund 1992 zu Hilfe, als es darum ging, einen Kandidaten für das Amt des thüringischen Ministerpräsidenten zu finden. Kohl setzte sich gegen erheblichen Widerstand der Landespartei durch und installierte Vogel. "Die Thüringer wollten mich erpressen in einer bestimmten Personalfrage", sagt er. Das liest sich entschuldigend. Geklungen hat es eher trotzig. "Dann bist du es geworden", sagt Kohl und schaut Vogel an. Vogel zog sich 2000 freiwillig aus dem Amt zurück und wurde Chef der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Wahrscheinlich hat Kohl den Thüringern damals zu verstehen gegeben, was es bedeuten kann, sich Kohl zum Feind zu machen - zumindest haben sie es dann gelassen.

Kohl wünsche heute allen Thüringern in der CDU, dass sie genauso herzlich aufgenommen werden, wie Vogel damals von den Thüringern aufgenommen wurde, sagt er. Kohl weiß eben Loyalität zu schätzen - auch wenn sie erzwungen ist.

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